Die zwei häufigsten genetischen Faktoren, die zu venösen Thromboembolien prädisponieren sind die heterozygote Faktor-V-Leiden (FVL)- und die Prothrombin-G20210A (ProG)-Mutation. Etwa 5% der europäischen Gesamtbevölkerung sind Träger des heterozygoten FVL – bei den Ureinwohnern der anderen Erdteile ist diese Mutation extrem selten – und 2-3% sind Träger von ProG. Das Risiko für eine erste venöse Thrombose oder Embolie bei Personen mit FVL ist ca. 5-fach und mit ProG ca. 3-fach erhöht im Vergleich zu Personen ohne diese Merkmale (1, 2). Diese thrombophilen genetischen Mutationen wirken sich besonders dann aus, wenn zusätzliche Risikofaktoren für Thromboembolien hinzukommen wie Operationen (besonders orthopädische), estrogenhaltige orale Kontrazeptiva, orale Hormonersatz-Therapie, Immobilisation und Paresen, Adipositas, höheres Alter, Krebserkrankungen, Schwangerschaft (bzw. Postpartialperiode) und längere Auto- oder Flugreisen.
Die Häufigkeit von Thromboserezidiven bei genetischen Mutationen im Gerinnungssystem wurde 2006 in einer umfangreichen Metaanalyse untersucht (3). Es fand sich bei 3.104 eingeschlossenen Patienten, die ein Rezidiv nach einer ersten, nicht mit zusätzlichen Risikofaktoren assoziierten (= unprovoked oder spontane) Thromboembolie hatten, bei 21,4% die heterozygote FVL- und bei 2.903 Patienten bei 9,7% die ProG-Mutation. Das Risiko für ein solches Rezidiv (Odds ratio = OR) war bei diesen Mutationen im Vergleich zu Personen ohne diese Mutation zwar signifikant, aber nur gering erhöht: OR FVL: 1,41: 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,14-1,75; OR ProG: 1,72; CI: 1,27-2,31. Eine systematische Review prospektiver Studien kam zu ähnlichen Ergebnissen (4). Allerdings gibt es auch Studien, in denen sich das Rezidivrisiko nicht erhöht fand (z.B. 5).
Auch bei der homozygoten Form der FVL-Mutation, die mit einem 9 bis 80-fach höheren Risiko für eine Erstthrombose assoziiert ist als die heterozygote Form (Übersicht bei 6), sowie bei kombinierter heterozygoter FVL- plus ProG-Mutation war das Rezidivrisiko mit einer OR von 1,2 (CI: 0,5-2,6) – verglichen mit Personen ohne diese Mutation – nur gering erhöht (7; vgl. auch 8). Eine retrospektive Kohortenstudie aus der Mayo Clinic, in der der Verlauf von 268 Patienten mit heterozygoter FVL- und von 111 mit homozygoter FVL-Mutation (Jahre 1996-2013) verglichen wurde, ergab keine signifikanten Unterschiede bei der Häufigkeit von Rezidivthrombosen (48% versus 42%), sodass sich nach Ansicht der Autoren kein unterschiedliches klinisches Management bei diesen beiden FVL-Mutationen ergibt (9).
In Studien zur Häufigkeit von Rezidiven bei genetischer Thrombophilie war die Dauer der Nachbeobachtung recht unterschiedlich, was möglicherweise die unterschiedlichen Ergebnisse erklärt. Auch wurden eher jüngere Patienten (50-67 Jahre) eingeschlossen (vgl. 3), obwohl Thromboembolien insgesamt, d.h. aus allen Ursachen, mit zunehmendem Alter häufiger werden (Zunahme von ca. 17% pro 10 Jahre) und bei Älteren auch eine schlechtere Prognose haben (10, 11). Eine Arbeitsgruppe aus der Schweiz und Deutschland hat 32 ältere Patienten (68-77 Jahre, Median 72 Jahre) mit heterozygoter FVL- und 12 Patienten (72-81 Jahre, Median 78 Jahre) mit ProG-Mutation und jeweils spontaner Erstthrombose drei Jahre nachbeobachtet und mit 310 Patienten gleichen Alters mit spontaner Erstthrombose ohne diese Mutationen verglichen (12). Die kumulative Inzidenz von Thromboserezidiven betrug: FVL 12,9%, ProG 18,5%, Kontrollen 16,7%. Nach Adjustierung fanden sich hinsichtlich der Inzidenz statistisch keine Unterschiede. Die Autoren meinen deshalb, dass eine Testung auf diese thrombophilen genetischen Faktoren bei älteren Patienten nicht nötig ist, weil sich aus dieser Information keine andere therapeutische Vorgehensweise ergibt.
Generell wird ein Testen auf FVL- und ProG-Mutation nur dann empfohlen, wenn sich prophylaktisch und/oder therapeutisch Konsequenzen ergeben und wenn den Kosten des Tests ein adäquater klinischer Nutzen gegenüber steht (6, 13, 14). Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist die Testung beispielsweise nur in speziellen Situationen zu erwägen („may be considered“; 6):
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bei Patienten mit erster, unprovozierter Thromboembolie, wenn sie ersten Grades verwandt sind mit einer Person, die ebenfalls eine Thromboembolie hatte und geplant ist, eine Antikoagulation zu beenden (6, 13);
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bei Frauen, die eine hormonale Kontrazeption oder eine orale Hormonersatz-Therapie erwägen und die ersten Grades verwandt sind mit einer Person, die eine Thromboembolie hatte oder von der eine hereditäre Thrombophilie bekannt ist (6).
Frauen mit heterozygoter FVL-Mutation und vorausgegangener Thromboembolie sollten orale Kontrazeptiva, die ein Estrogen enthalten, bzw. eine orale Hormonersatz-Therapie vermeiden. Das Gleiche gilt für Frauen mit homozygotem FVL auch dann, wenn sie vorher keine Thromboembolie hatten (6).
Keine Testung wird beispielsweise empfohlen (6, 13, 15),
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bei Patienten, die antikoagulatorisch behandelt werden;
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bei Patienten, bei denen die Ursache der Thromboembolie durch bekannte Risikofaktoren ausreichend erklärt ist;
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routinemäßig bei Verwandten ersten Grades von Personen mit einer Anamnese von Thrombophilie und Thromboembolien;
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bei asymptomatischen Familienmitgliedern von Personen, bei denen eine FVL-Mutation bekannt ist.
Fazit: Die Faktor-V-Leiden (FVL)- und die Prothrombin-G20210A (ProG)-Mutation sind lebenslange Risikofaktoren für venöse Thrombosen. Sie wirken sich insbesondere dann aus, wenn andere Faktoren und Situationen hinzukommen, die mit erhöhter Inzidenz von Thrombosen assoziiert sind. Im Hinblick auf Thromboserezidive werden diese thrombophilen genetischen Faktoren aber als klinisch nicht so bedeutsam angesehen, dass beispielsweise die Dauer antikoagulatorischen Therapie primär davon abhängig gemacht werden sollte. Nach Expertenmeinung sollte sich diese in erster Linie am klinischen Ausmaß der Thrombose/Embolie, dem Fortbestehen klinisch relevanter thrombosefördernder Risikofaktoren und am Blutungsrisiko orientieren (9, 16, 17).
Literatur
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