Empfehlungen für Ziel-Blutdruckwerte in Leitlinien zur antihypertensiven Therapie resultieren meistens aus Studien, bei denen die am Ende der Interventionszeit gemessenen RR-Werte in die Analyse eingegangen sind [1]. Grundsätzlich schränken jedoch erhebliche RR-Schwankungen im Tagesverlauf und psychische Einflüsse auf den RR den Aussagewert von Einzelmessungen ein, vor allem wenn sie, wie häufig im Praxisalltag, nur einmal im Jahr vorgenommen werden. Für das Auftreten und das Ausmaß von vaskulären Endorganschäden (kardiale, zerebrale, renale bzw. Tod) ist jedoch von Bedeutung, wie lange ein Organismus dem zu hohen Blutdruck ausgesetzt war [2], [3], also die kumulative Dauer. Interessant ist, mit welcher Strategie Patienten möglichst lange in dem gewünschten RR-Zielbereich („time at target“ = Prozent der Zeit im Zielbereich) gehalten werden können, um das individuelle vaskuläre Risiko zu minimieren [2]. Eine Post-hoc-Analyse der SPRINT-Studie (vgl. [4]) hatte zu dieser Frage bereits ergeben, dass im Hinblick auf den systolischen RR eine längere „time at target“ mit weniger kardiovaskulären Ereignissen assoziiert war [5]. Der diastolische RR wurde in solchen Analysen bisher nicht berücksichtigt. „Time at target“ bei antihypertensiver Therapie war auch das Thema der TRIUMPH-Studie [6] mit einer aktuell veröffentlichten Post-hoc-Analyse [7].
Design der TRIUMPH-Studie [6]: In der multizentrischen, randomisierten kontrollierten Studie waren von 2016-2017 in 11 städtischen Kliniken in Sri Lanka 700 ambulante Patienten mit milder oder moderater arterieller Hypertonie (RR systolisch > 140, aber < 180, und/oder diastolisch > 90 und < 110 mm Hg; bei Patienten mit Diabetes mellitus oder chronischen Nierenerkrankungen > 130 mm Hg systolisch und > 80 mm Hg diastolisch) eingeschlossen worden. Sie erhielten erstmalig eine antihypertensive Therapie, oder ihre RR-Werte waren unter einer Monotherapie unzureichend gesenkt. Eine Gruppe (n = 349) erhielt offen einmal täglich eine fixe Dreifachkombination (Tripeltherapie = TT) aus Telmisartan 20 mg, Amlodipin 2,5 mg und Chlortalidon 12,5 mg; das entspricht etwa der halben üblichen Standarddosis der Einzelsubstanzen; bei Bedarf konnte auf die volle Dosis gesteigert werden. Bei der Vergleichsgruppe (n = 351) wurde die traditionelle stufenweise Eskalationstherapie angewendet (Standardtherapie = ST). Patienten, die zu Studienbeginn bereits eine Monotherapie hatten und für die TT randomisiert wurden, setzten die Vormedikation ohne Auswaschphase ab. Die Einnahme von zwei oder mehr Antihypertensiva zu Beginn war ein Ausschlusskriterium ebenso wie ein RR > 180 mm Hg oder Kontraindikationen für das geplante Therapiekonzept. Nach 6, 12 und 24 Wochen wurden die Patienten ins Studienzentrum einbestellt. Dabei wurden 3 RR-Messungen in Ruhe und seriell in kurzen Abständen vorgenommen. Die allgemeine Betreuung übernahm der Hausarzt.
Die Studie war finanziert worden mit öffentlichen Geldern des „Australian National Health and Medical Research Council (NHMRC) Global Alliance for Chronic Disease“. Einige Autoren der Post-hoc-Analyse sind aber an der Entwicklung von Kombinationspräparaten zur antihypertensiven Therapie beteiligt.
Ergebnisse: Die 700 Teilnehmer hatten ein mittleres Alter von 56,2 Jahren, 58% waren Frauen, 31% hatten Diabetes mellitus, 16% waren Raucher und 1,4% hatten eine chronische Nierenerkrankung. Der mittlere Ausgangs-RR war 154/90 mm Hg, und 287 Teilnehmer (41,0%) hatten vor Studienbeginn eine antihypertensive Monotherapie.
Mit der TT hatten 70% der Probanden im Vergleich zu 55% mit ST nach 6 Monaten das individuelle RR-Ziel < 140/90 mm Hg rsp. < 130/80 mm Hg erreicht. Unter TT betrug der mittlere RR 125/76 mm Hg vs. 134/81 mm Hg unter ST. Eine mittlere RR-Differenz von fast 10 mm Hg systolisch und 5 mm Hg diastolisch am Ende der Studie war hochsignifikant. Unter TT hatten 68% ihr RR-Ziel bereits nach 6 Wochen erreicht vs. 44% unter ST, nach 12 Wochen waren es 73% vs. 47%. Allerdings wurde der rasche und auch anhaltende Effekt der TT, wie zu erwarten, mit mehr Nebenwirkungen erkauft: 38,1% unter TT vs. 34,8% unter ST. Symptome wie Schwindel, Präsynkopen oder Synkopen waren unter TT fast doppelt so häufig: 5,2% vs. 2,8%. Studienabbrüche waren in beiden Kollektiven annähernd gleich (6,6% vs. 6,8%).
Design der TRIUMPH-Post-hoc-Analyse [7]: Für den primären Studien-Endpunkt wurde die Zeit seit dem ersten Erreichen des Ziel-Blutdrucks ermittelt und zum Vergleich in Prozent der gesamten Behandlungszeit angegeben. Der primäre Endpunkt („time at target“) wurde erreicht, wenn die gemessenen RR-Werte > 50% der Behandlungszeit im Zielbereich gelegen hatten.
Ergebnisse: Patienten mit TT (n = 349) waren über die gesamte Beobachtungszeit von 24 Wochen hochsignifikant länger im RR-Zielbereich als mit ST (n = 351): 64% vs. 43%; 95%-Konfidenzintervall: 16-26; p < 0,001. Den „time at target“-Endpunkt mit > 50% der Zeit im Zielbereich erreichten 64% unter TT und 37% unter ST (p < 0,001). Dabei wurde das Ziel unter TT schon früh erreicht: Bereits nach 12 Wochen war mehr als die Hälfte der Patienten > 50% der Zeit im RR-Zielbereich. Hochsignifikant bessere Ergebnisse für die TT ergaben sich für alle Nachbeobachtungs-Zeitpunkte. Mehr als 75% der Zeit im RR-Zielbereich erreichten nach 6 Monaten 34,8% der Patienten mit TT vs. 15,4% mit ST (p < 0,001). Die Auswirkungen der beiden Therapieformen auf vaskuläre Ereignisse wurden in dieser Studie nicht untersucht.
Eine früher publizierte große Kohortenstudie mit hypertensiven Patienten [2] hatte ergeben, dass kardiovaskuläre Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall bzw. Tod) bereits bei einer so geringen „time at target“ von im Minimum 25% um 25% seltener waren als bei 0% „time at target“ [2]. Auch die Post-hoc-Analyse der SPRINT-Studie kam zu dem Ergebnis, dass die „time in target range“ das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse besser abbilden kann als ein gemittelter RR-Wert [5]. Ob allerdings auch die Zeit bis zum Erreichen des „optimalen RR-Werts“ für das lebenslange kardiovaskuläre Risiko eines Patienten so wichtig ist, dass sie zu Beginn eine so intensive antihypertensive Therapie rechtfertigt, muss noch belegt werden [8]. Wir sehen eine TT als Beginn einer antihypertensiven Intervention wegen des höheren Risikos für Nebenwirkungen und Synkopen oder präsynkopale Zustände kritisch. Ähnlich haben wir auch die „Polypille für die kardiovaskuläre Primärprävention“ beurteilt [9].