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Leichte Senkung der Homozystein-Konzentration im Serum durch B-Vitamine vermindert nicht die Häufigkeit zerebraler Re-Insulte

Patienten mit familiärer Homozystinurie und Hyperhomozysteinämie haben häufig eine bereits in jungen Jahren auftretende Arteriosklerose. Ein hoher Homozystein-Spiegel im Blut ist ein unabhängiger Risikofaktor für Koronare Herzkrankheit (KHK) und Schlaganfall (s.a. 1). Durch Gabe von Folsäure, Vitamin B12 (Cobalamin) und Vitamin B6 (Pyridoxin) kann der Homozystein-Spiegel gesenkt werden. Es ist jedoch unklar, ob diese Intervention das kardiovaskuläre Risiko senkt. Eine Ein-Jahres-Studie aus der Schweiz ergab, daß durch Gabe dieser drei Vitamine in mittlerer Dosis die Notwendigkeit koronarer Re-Interventionen nach einer ersten Intervention wegen KHK signifikant reduziert werden kann (2). Eine andere Studie hatte aber ein negatives Ergebnis.

J. Toole et al. aus den USA, Kanada und Schottland (3) unternahmen eine Interventionsstudie (VISP) mit den drei Vitaminen bei Patienten, die einen oder mehrere, die Körperfunktion nicht schwer beeinträchtigende Schlaganfälle gehabt hatten, und bei denen der Gesamt-Homozystein-Spiegel im Blut relativ hoch sein mußte (im oberen Viertel dieser Patientengruppe). Im Mittel lagen die Werte um 13 µmol/l. 3680 Patienten/innen wurden doppeltblind in zwei Therapiearme randomisiert: Gruppe A erhielt täglich ein niedrig dosiertes Präparat mit 20 µg Folsäure, 6 µg Cobalamin und 200 µg Pyridoxin, Gruppe B mit 2,5 mg Folsäure, 400 µg Cobalamin und 25 mg Pyridoxin. Die Patienten wurden alle drei Monate interviewt oder einbestellt. Die Zielgrößen waren erneute Schlaganfälle, koronare Ereignisse und Tod. Die durchschnittliche Zeit der Beobachtung betrug zwei Jahre.

In Gruppe B waren die Vitamin-Konzentrationen im Blut während der Intervention deutlich höher als in Gruppe A, was für eine gute Compliance spricht. Die Homozystein-Spiegel fielen im Vergleich mit Gruppe A aber nur um ca. 2 µmol/l ab. Die Re-Insult-Rate war nach zwei Jahren in beiden Gruppen gleich (Risk Ratio = RR = 1,0). Hinsichtlich koronarer Ereignisse und Tod ergab sich ein nicht-signifikanter Trend (RR ca. 0,9) zugunsten der Hochdosis-Gruppe B. In dieser Studie, wie auch in früheren schon, fand sich jedoch eine deutliche Abhängigkeit zerebraler wie koronarer Ereignisse von der Höhe des Homozysteinspiegels vor Beginn der Behandlung.

Die Autoren und der Autor eines Editorials, D.F. Hanley aus Baltimore (4), interpretieren die Ergebnisse wie folgt: Es sei noch nicht gesichert, daß Senken eines erhöhten Homozystein-Spiegels das Risiko für arteriosklerotische Komplikationen reduziert, d.h. ob Homozystein selbst ein kausaler Faktor ist. Weiterhin könnten in diesem Kollektiv die Homozystein-Spiegel nicht hoch genug bzw. die Senkung nicht groß genug gewesen sein, um in der Studie zu einem signifikanten Ergebnis zu führen. Außerdem begann während der Studie in den USA die obligatorische „Fortifizierung” des Mehls mit Folat. Hierduch, aber vielleicht auch durch bereits signifikante Effekte der niedrigen Vitamindosen in Gruppe A, könnte ein günstiger Effekt der höheren Vitamindosen verschleiert worden sein.

Hinzuzufügen ist noch, daß Homozystein, wenn es denn eine direkte kausale Rolle für die Arteriosklerose spielt, ein Langzeit-Risikofaktor ist. Interventionsstudien von ein oder zwei Jahren Dauer dürften zu kurz sein, um in einem bereits stark veränderten Gefäßsystem (Sekundärprävention) deutliche Besserungen des Zustandes zu erzielen.

Fazit: Eine hohe Homozystein-Konzentration im Serum ist ein Risikofaktor für Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall. In der hier vorgestellten VISP-Studie von zwei Jahren Dauer ließ sich das Re-Insult-Risiko bei Schlaganfall-Patienten durch die relativ hochdosierte Gabe von Folsäure, Cobalamin und Pyridoxin verglichen mit einer Gruppe, die sehr niedrige Dosen dieser Vitamine erhielt, nicht senken.

Literatur

  1. AMB 2002, 36, 5 und 2003, 37, 5.
  2. Schnyder, G., et al.: JAMA 2002, 288, 973.
  3. Toole, J.F., et al. (VISP = Vitamin Intervention for Stroke Prevention): JAMA 2004, 291, 565.
  4. Hanley, D.F.: JAMA 2004, 291, 621.