Am 6.3.2021 wurden die Daten der 2. Zwischenanalyse aus dem Studienprogramm der ChAdOx1 nCoV-19-Vakzine von AstraZeneca veröffentlicht (1). Die erste Zwischenanalyse vom 4.11.2020 ergab eine Wirksamkeit der Impfung von 70,4%, basierend auf 131 Erkrankungsfällen aus den beiden Studien COV002 und 003 (vgl. 2). Die 2. Interimsanalyse basiert auf einer Auswertung vom 7.12.2020 und 332 symptomatischen COVID-19-Erkrankungen unter 17.178 Geimpften.
Die errechnete Wirksamkeit der ChAdOx1 nCoV-19-Vakzine liegt demnach 2 Wochen nach der Zweitimpfung bei 66,7% (s. Tab. 1). Die beste Wirksamkeit wurde erzielt, wenn der Abstand zwischen den beiden Impfungen ≥ 12 Wochen betrug (81,3%) und wenn die 1. Impfung mit einer niedrigeren Dosis verabreicht wurde (80,7%). Die EU-Zulassung schreibt 2 Impfungen mit Standarddosis im Abstand von 4-12 Wochen vor (3). Mit diesem Schema liegt die Impfeffektivität bei 55-63%. Auch wenn diese Befunde zufällig erhoben wurden (weder das lange Impfintervall noch die geringere Erstdosis waren im Protokoll vorgesehen) und die statistische Aussagekraft unsicher ist (keine Randomisierung dieser Subgruppen, entsprechend ungleiche Grundrisiken, überlappende Konfidenzintervalle), sollte dies in Anbetracht der Impfstoffknappheit zu einem Überdenken der Impfstrategie führen.
Der Schutz gegen schwere Krankheitsverläufe nach Impfung mit ChAdOx1 nCoV-19 ist gut. Ab dem Tag der Erstimpfung mussten nur 2 Personen wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden (am Tag 0 und 10); in der Kontrollgruppe waren es 22. Zwei Wochen nach der Erstimpfung gab es keinen stationär behandlungsbedürftigen Patienten mehr (vs. 15 in der Kontrollgruppe). Die errechnete Wirksamkeit hinsichtlich der Verhinderung eines schweren Verlaufs von COVID-19 beträgt somit 100% (Untergrenze des einseitigen 97,5%-Konfidenzintervalls: 72,2%).
Ein Schutz vor asymptomatischen Infektionen besteht nach einer Einmalimpfung nicht und ist nach zwei Impfungen gering (22%). Dies geht aus Analysen der COV002-Studie hervor, bei der ein Teil der Probanden wöchentlich auf SARS-CoV-2 abgestrichen wurde. Rechnet man die symptomatischen und asymptomatischen Infektionen zusammen (alle positiven RT-PCR-Tests), dann beträgt der Schutz nach zwei Impfungen 54,1% (95%-Konfidenzintervall = CI: 44,7-61,9). Dies könnte eine Halbierung der Transmissionsrate bedeuten und einen bedeutsamen Einfluss auf die Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung durch die Impfung haben. Der wichtigste Effekt der Impfung ist jedoch, dass potenziell schwere COVID-19-Erkrankungen milder verlaufen und potenziell milde asymptomatisch bleiben.
Begleitende Untersuchungen zur Immunogenität bei Probanden < 55 Jahren unterstützen die Beobachtung, dass eine Verlängerung des Impfintervalls wirksamer sein könnte: Zweimal Geimpfte entwickeln mehr als doppelt so hohe IgG-Titer gegen das SARS-CoV-2-Spike-Glykoprotein, wenn die 2. Dosis erst nach > 12 Wochen verabreicht wird, als bei einer 2. Impfung innerhalb von 6 Wochen. Die Antikörpermessungen sprechen auch für das Konzept der Auffrischungsimpfung: nach einer Einmalimpfung sinken diese über einen Zeitraum von 6 Monaten loglinear um 64% ab. Die 2. Impfung dürfte also wichtig sein für die Dauer der Immunität.
Hinsichtlich der Nebenwirkungen ergeben sich aus der 2. Zwischenanalyse keine neuen Aspekte: Nach Impfung mit ChAdOx1 nCoV-19 erleiden 2,1% eine UAE der Kategorie 3 oder 4, vs. 1,7% mit Kontrollvakzine. Eine als schwerwiegend klassifizierte UAE wurde bei 108 Personen nach ChAdOx1 nCoV-19 gemeldet (0,9% von insgesamt 12.282) vs. 127 mit Kontrollvakzine (1,1% von 11.962). Dabei handelte es sich häufig um Infektionen (23/41 Patienten, einschließlich der COVID-19-Erkrankungen), gastrointestinale UAE (15/13 Patienten) und neurologische Störungen (10/8 Patienten, darunter je 1 mit transverser Myelitis, Abduzensparese und Fazialisspasmus in der ChAdOx1 nCoV-19-Gruppe). Es gab insgesamt 7 Todesfälle (2/5), die alle als nicht mit der Impfung im Zusammenhang stehend bewertet wurden, darunter einer durch COVID-19 in der Kontrollgruppe.
Das Paul Ehrlich-Institut (PEI) hat am 4.3.2021 einen Sicherheitsbericht zu COVID-19-Impfstoffen veröffentlicht (6). Demnach wurden in Deutschland bis zum 26.2.2021 insgesamt 5,9 Mio. Impfdosen verabreicht, davon 363.645 des ChAdOx1 nCoV-19-Impfstoffs (6,1%). Die Verdachtsfall-Melderate für UAE betrug für alle 3 bisher zugelassenen Impfstoffe 2,0 pro 1.000 Dosen und für schwerwiegende UAE 0,3 pro 1.000 Dosen. ChAdOx1 nCoV-19 lag mit 7,6 Fällen pro 1.000 Dosen insgesamt über und mit 0,2 schweren UAE pro 1.000 Impfungen unter dem Schnitt. Dabei dominieren bei ChAdOx1 nCoV-19 grippeähnliche Symptome, Fieber, Schüttelfrost und Gliederschmerzen. Deswegen wird vielerorts die begleitende Einnahme von von Paracetamol empfohlen, wie dies auch von einem Teil der Probanden in den COV-Studien praktiziert wurde. Einzelne, zum Teil tödlich verlaufene Gerinnungsstörungen im zeitlichen Zusammenhang mit der ChAdOx1 nCoV-19-Impfung wurden in Österreich und Dänemark beobachtet und haben in 3 europäischen Ländern (DK, NOR, ISL) zum Impfstopp dieser Vakzine bzw. zum Einzug der entsprechenden Charge für weitere Untersuchungen geführt (7). Das Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) untersucht diese Sicherheitssignale und hat in einer ersten Stellungnahme darauf hingewiesen, dass Thromboembolien in dieser Häufigkeit auch in der ungeimpften Bevölkerung zu erwarten sind. Deshalb werden von der EMA derzeit keine Belege für einen kausalen Zusammenhang gesehen. Gerinnungsstörungen als UAE bei COVID-19-Vakzinen stehen auch bei der Brighton Collaboration unter besonderer Beobachtung (Adverse Events of Special Interest = AESI; 8).
Hinweise zur Wirksamkeit von ChAdOx1 nCoV-19 bei älteren Geimpften kommen aus Schottland. In einer derzeit nur als Preprint vorliegenden Analyse (4) wurde die Wirksamkeit der 1. Dosis in einer prospektiven Impfkohorte untersucht (“Early Pandemic Evaluation and Enhanced Surveillance of COVID-19 database, EAVE-II-Register”). Zwischen dem 8.12.2020 und 15.2.2021 wurden > 1,13 Mio. Personen in Schottland geimpft, darunter 535.607 im Alter 65-79 Jahre und 206.729 im Alter ≥ 80 Jahre (Impfquote 70,6% bzw. 77,7% für die Erstimpfung). Anders als in Deutschland und Österreich ist der in Schottland am meisten verwendete Impfstoff in der Altersgruppe ≥ 75 Jahren ChAdOx1 nCoV-19, weil dieser in Großbritannien als erster zugelassen wurde. Weniger als 20% der älteren Schotten haben BNT162b2 von BioNTech/Pfizer erhalten. Die Wirksamkeit dieser beiden Vakzine wurde errechnet anhand der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung wegen COVID-19, im Vergleich zu den Ungeimpften der gleichen Altersgruppe. Sie betrug nach der 1. Dosis BNT162b2 85% (CI: 76-91) und nach ChAdOx1 nCoV-19 94% (CI: 73-99). Diese Registerdaten haben die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland dazu bewogen, am 4.3.2021 den ChAdOx1 nCoV-19-Impfstoff für alle Altersgruppen zu empfehlen, also jetzt auch für Personen > 65 Jahre (5).
Literatur
- Voysey, M., et al.: Lancet 2021, 391, 881. Link zur Quelle
- AMB 2021, 55, 13. Link zur Quelle
- https://www.ema.europa.eu/en/documents/ assessment-report/covid-19-vaccine-astrazeneca -epar-public-assessment-report_en.pdf Link zur Quelle
- https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3789264 Link zur Quelle
- https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/ AstraZeneca-Impfstoff.html Link zur Quelle
- https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/ DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/ sicherheitsbericht-27-12-bis-26-02-21.pdf?__blob= publicationFile&v=9 Link zur Quelle
- BASG: Rund 6.000 AstraZeneca-Dosen eingezogen – news.ORF.at Link zur Quelle
- Brighton Collaboration: Priority List of Adverse Events of Special Interest: Link zur Quelle