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COVID-19: Wirksamkeit von Remdesivir bei nicht hospitalisierten Patienten mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf [CME]

Die Wirksamkeit antiviraler Therapien bei symptomatischen COVID-19-Patienten hat in klinischen Studien bisher eher enttäuscht [1] [2] [3]. Allerdings konnten antivirale Strategien schwere Krankheitsverläufe und Krankenhauseinweisungen bei Risikopatienten reduzieren, wenn sie in der Frühphase der SARS-CoV-2-Infektion eingesetzt wurden, d.h. bevor schwere klinische Symptome aufgetreten waren [2] [4] [5]. Ärzte in Deutschland, die Patienten mit COVID-19 und hohem Risiko für einen schweren Verlauf behandeln (z.B.: ältere Personen, Patienten mit Adipositas, Diabetes mellitus, arterieller Hypertonie, immunsuppressiver Therapie, Krebserkrankungen mit aktueller Chemo-/Immuntherapie), befinden sich derzeit in einer schwierigen Situation, was diese Behandlungsstrategie angeht, denn die für diese Indikation vorgesehenen und zur Zeit verfügbaren monoklonalen Antikörper (MAK; vgl. [4]) gegen das Spike-Glykoprotein sind bei der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 nicht wirksam [6]. Eine Ausnahme könnte der MAK Sotrovimab (Xevudy®) sein, der zumindest in vitro eine gewisse Wirksamkeit gegen die Omikron-Variante gezeigt hat [6]. Dieser MAK ist zwar seit dem 17.12.2021 in der EU zugelassen [7], aber in Deutschland nicht überall verfügbar, beispielsweise in der Charité erst seit Anfang Februar 2022. Die neuen antiviralen Wirkstoffe, wie Molnupiravir (Lagevrio®; vgl. [5]) und Nirmatrelvir (mit Ritonavir geboostert = Paxlovid®; vgl. [8]) stehen aktuell in Deutschland für die meisten Ärzte noch nicht zur Verfügung. Remdesivir (Veklury®) wurde im Jahr 2020 in großen Mengen eingekauft, jedoch nur wenig eingesetzt, weil es bei bereits hospitalisierten COVID-19-Patienten nur eine geringe Wirksamkeit zeigte (vgl. [9]). Nun ist jedoch eine Studie publiziert worden [10], die zeigt, dass Remdesivir – wenn es wie andere antivirale Strategien in der Frühphase der Infektion bei Risikopatienten eingesetzt wird – doch einen Nutzen haben könnte.

Methodik: Es handelt sich um eine randomisierte, plazebokontrollierte, doppelblinde Phase-III-Studie, in die ambulante COVID-19-Patienten eingeschlossen wurden, die nicht geimpft waren und ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf hatten [10]. Zu solchen Risiken gehören u.a. Alter > 60 Jahre, Adipositas, Diabetes mellitus sowie andere Erkrankungen (s.o.). Erkältungs-Symptome durften nicht länger als 7 Tage bestanden haben. Eine Gruppe erhielt Remdesivir i.v. (am 1. Tag 200 mg, an den beiden Folgetagen je 100 mg), die andere Plazebo. Der primäre Endpunkt war zusammengesetzt aus Tod jeder Ursache und Krankenhauseinweisung wegen COVID-19 bis Tag 28 nach Randomisierung. Ein weiterer Endpunkt bestand darin, ob ärztliche Hilfe in den ersten 28 Tagen nach Randomisierung benötigt wurde.

Ergebnisse: Von September 2020 bis April 2021 wurden insgesamt 562 Patienten aus 64 Zentren in den USA, Spanien, Dänemark und Großbritannien rekrutiert; 279 erhielten Remdesivir und 283 Plazebo. Das Alter lag in beiden Gruppen im Median bei 50 Jahren, 48% waren Frauen und 42% Männer. Die vorherrschende Virusvariante zu dieser Zeit war Delta. Diabetes mellitus (61,6%) war der häufigste Risikofaktor, gefolgt von Adipositas (55,2%) und Hypertonie (47,7%). Der primäre Endpunkt wurde von 2 Patienten in der Remdesivir-Gruppe (= 0,7%) und von 15 (= 5,3%) in der Kontrollgruppe erreicht (Hazard Ratio: 0,13; 95%-Konfidenzintervall: 0,03-0,59; p = 0,008). Insgesamt 4 Patienten (= 1,6%) in der Remdesivir- und 21 (= 8,3%) in der Plazebo-Gruppe hatten in den 28 Tagen ärztliche Hilfe wegen COVID-19-assoziierten Problemen benötigt. Kein Patient starb in diesem Zeitraum. Bei den Patienten war es schwierig, Nebenwirkungen (NW) der Behandlung von Symptomen der Erkrankung genau zu unterscheiden. Insgesamt waren die meisten Symptome in beiden Gruppen etwa gleich häufig, jedoch traten schwerwiegende Symptome häufiger in der Plazebo-Gruppe auf, was nicht erklärt wird. Die NW von Remdesivir, die aus Studien mit längerer Behandlung bekannt sind, wie Nieren- und Leberschädigungen, wurden hier nicht angegeben.

Die derzeit vorhandenen therapeutischen Alternativen bei COVID-19 und der richtige Zeitpunkt für ihre Anwendung werden in einem Kommentar zu dieser Studie diskutiert und auch graphisch anschaulich dargestellt [11].

Fazit

Bei nicht hospitalisierten Patienten mit COVID-19 ohne schwere Symptome, aber mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf, reduzierte Remdesivir i.v. über 3 Tage das Risiko für eine Behandlung im Krankenhaus bei akzeptablen Nebenwirkungen. Diese Behandlung wird auch von den National Institutes of Health in den USA empfohlen [12].

Literatur

  1. AMB 2020, 54, 95. (Link zur Quelle)
  2. AMB 2021, 55, 08a. (Link zur Quelle)
  3. AMB 2021, 55, 55. (Link zur Quelle)
  4. AMB 2021, 55, 104DB01. (Link zur Quelle)
  5. AMB 2021, 55, 96DB01. (Link zur Quelle)
  6. https://www.nature.com/articles/d41586-021-03829-0 (Link zur Quelle)
  7. https://www.pei.de/DE/newsroom/hp-meldungen/2021/211217-eu-zulassung-antikoerper-xevudy-gegen-covid-19.html#:~:text=Die%20Europ%C3%A4ische%20Kommission%20hat%20am,Behandlung%20von%20COVID%2D19%20 (Link zur Quelle)
  8. AMB 2022, 56, 12. (Link zur Quelle)
  9. AMB 2020, 54, 37. AMB 2020, 54, 48. AMB 2020, 54, 56. AMB 2020, 54, 89. (Link zur Quelle)
  10. Gottlieb, R.L., et al. (PINETREE= Study to Evaluate the Efficacy and Safety of Remdesivir (GS-5734™) Treatment of Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) in an Outpatient Setting): N. Engl. J. Med. 2022, 386, 305. (Link zur Quelle)
  11. Heil, E.L., und Kottilil, S.: N. Engl. J. Med. 2021, 386, 385. (Link zur Quelle)
  12. https://files.covid19treatmentguidelines.nih.gov/guidelines/archive/statement-on-anti-sars-cov-2--12-23-2021.pdf (Link zur Quelle)