Telmisartan (Micardis®, Kinzalmono®) ist ein relativ spät auf den Markt gekommener Angiotensin-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB) mit Tablettendosen von 20, 40 und 80 mg. Er wurde, wie alle AT-II-RB für die Behandlung der essentiellen Hypertonie zugelassen. Im N. Engl. J. Med. ist jetzt eine umfangreiche Studie zur Schlaganfall-Rezidivprophylaxe mit Telmisartan im Vergleich mit Plazebo erschienen (1). Die Patienten sollten früh nach Eintreten des Schlaganfalls randomisiert werden. Im Mittel geschah dies nach 15 Tagen. Etwa 80% der 20 332 Patienten hatten eine Arteriosklerose der großen Gefäße oder Verschlüsse kleinerer Arterien und 1,8% hatten kardiogene Hirnarterien-Embolien gehabt. Patienten mit Hirnblutungen als Ursache des Insults waren ausgeschlossen. Das mittlere Lebensalter war 66 Jahre. Die Studie wurde von Boehringer Ingelheim, Bayer Schering Pharma und GlaxoSmithKline gemeinsam finanziert. Der Grund für diese Gemeinsamkeit war, dass die Studie neben dem Vergleich Telmisartan 80 mg versus Plazebo als zweite Komponente den Vergleich ASS plus Dipyridamol (Aggrenox retard®) vs. Clopidrogel (Iscover®, Plavix®) enthielt. Das Ergebnis dieses Vergleichs (2) soll auch kurz erwähnt, aber demnächst ausführlicher besprochen werden.
Die mittlere Studiendauer war 2,5 Jahre. Primärer Endpunkt war die Zahl erneuter Schlaganfälle. Sekundärer Endpunkt waren: kardiovaskulär verursachter Tod, Schlaganfall, Myokardinfarkt, neue oder zunehmende Herzinsuffizienz und neu aufgetretener Diabetes mellitus. Die Patienten konnten nach Ermessen der behandelnden Ärzte in beiden Studienarmen antihypertensiv behandelt werden. Der Blutdruck war zu Beginn 144/84 mm Hg in beiden Gruppen, im Telmisartan-Arm aber nach 2,5 Jahren im Mittel um 3,8/2 mm Hg niedriger als im Plazebo-Arm.
Im Studienverlauf erlitten 880 (8,7%) Patienten unter Telmisartan und 934 (9,2%) unter Plazebo erneut einen Schlaganfall. Ein sekundärer Endpunkt trat bei 13,5% bzw. 14,4% der Patienten ein. Trotz der großen Zahl eingeschlossener Patienten waren die Unterschiede nicht signifikant. Auch beim Vergleich ASS plus Dipyridamol mit Clopidrogel ergab sich hinsichtlich erneuter Schlaganfälle kein Unterschied (9% vs. 8,8%). Der sekundäre Endpunkt trat in beiden Vergleichs-Armen dieser Teil-Studie bei 13,1% der Patienten ein.
In einer anderen, im Lancet veröffentlichten Studie (3) wurde der Effekt von 80 mg/d Telmisartan im Vergleich mit Plazebo bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und bei Diabetikern mit kardiovaskulären Endorgan-Schäden untersucht, die ACE-Hemmer nicht vertragen hatten (Husten, Angioneurotisches Ödem, Hypotension, Nierenfunktionsstörungen). Die beiden zuletzt genannten Intoleranz-Zeichen dürften aber eher die Folgen von falscher Dosierung oder der Komedikation sein. Die Entscheidung, ob eine ACE-Hemmer-Intoleranz vorlag, wurde den Studienärzten überlassen. 5 926 Patienten in vielen Zentren mit einem gut vergleichbaren Spektrum an Vorerkrankungen (Hypertonie, KHK, Zustand nach Myokardinfarkt, Diabetes mellitus etc.) wurden im Rahmen der Studie im Mittel 56 Monate lang mit 80 mg/d Telmisartan oder Plazebo behandelt. Die vielfältige übliche Begleitmedikation war in beiden Gruppen fast identisch. Primärer Endpunkt war die Kombination aus kardiovaskulär verursachtem Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Krankenhausaufnahme wegen Herzinsuffizienz. Ausgewertet wurde nach dem Intention-to-treat-Prinzip.
Der Blutdruck war zu Beginn 141/82 mm Hg, in der Verum-Gruppe aber während der Studie im Mittel um 4,0/2,2 mm Hg niedriger als unter Plazebo. 465 Patienten (15,7%) erreichten in der Verum-Gruppe den primären Endpunkt vs. 504 (17%) unter Plazebo (Hazard ratio: 0,92; p = 0,216). Die Abbruchrate war mit 21,6% vs. 23,7% sehr hoch und wird in der Veröffentlichung nicht ausreichend erklärt. Husten als Abbruchgrund trat bei 0,98% vs. 0,54% erneut auf, ein Angioödem nur bei zwei bzw. drei Patienten, Hyperkaliämie > 5,5 mmol/l bei 3,8% vs. 1,6% und eine Verdoppelung des Serum-Kreatinins bei 0,24% bzw. 0,34% der Studienteilnehmer. Die Studie wurde vom Telmisartan-Hersteller Boehringer Ingelheim finanziert.
Die Ergebnisse beider Studien sind eher enttäuschend. Allein aufgrund der niedrigeren Blutdruckwerte in den Telmisartan-Gruppen beider Studien hätte man eine deutlichere Reduktion erneuter Schlaganfälle und kardiovaskulärer Ereignisraten erwartet. Da bisher keine wesentlichen Unterschiede der Wirksamkeit zwischen den einzelnen Vertretern der AT-II-RB-Gruppe bei vergleichbarer Dosierung festgestellt wurden, ist das bescheidene Ergebnis dieser beiden aufwändigen Studien vermutlich nicht nur der Substanz Telmisartan allein anzulasten, sondern der Blutdrucksenkung. Wir haben kürzlich zwei Artikel referiert, in denen festgestellt wird, dass ACE-Hemmer und AT-II-RB als Antihypertensiva und Nephroprotektiva prinzipiell gleichwertig sind (4). Daran ändern auch die hier referierten Studien nichts. Mittel der ersten Wahl bei gewünschter Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems bleiben ACE-Hemmer, während die immer noch teureren AT-II-RB bei deren Intoleranz verordnet werden sollten, wenn weiterhin die Indikation gegeben ist.
Fazit: Der AT-II-RB Telmisartan reduziert bei frühzeitigem Therapiebeginn nach Schlaganfall die Schlaganfall-Rezidivrate und andere kardiovaskuläre Ereignisse nur geringfügig und nicht signifikant. Bei Patienten mit verschiedenen kardiovaskulären Erkrankungen, bei denen ein ACE-Hemmer wegen Unverträglichkeit abgesetzt werden muss, reduziert Telmisartan die kardiovaskuläre Komplikationsrate trotz besserer Blutdrucksenkung im Vergleich mit Plazebo ebenfalls nur geringfügig und nicht signifikant.
Literatur
- Yusuf, S., et al. (PRoFESS = Prevention Regimen For Effectively avoiding Second Strokes): N. Engl. J. Med. 2008, 359, 1225. Link zur Quelle
- Sacco, R.L., et al. (PRoFESS = Prevention Regimen For Effectively avoiding Second Strokes): N. Engl. J. Med. 2008, 359, 1238. Link zur Quelle
- Yusuf, S., et al. (TRANSCEND = Telmisartan Randomised AssessmeNt Study in ACE iNtolerant subjects with cardiovascular Disease): Lancet 2008, 372, 1174. Link zur Quelle
- AMB 2008, 42, 35 Link zur Quelle und AMB 2008, 42, 62. Link zur Quelle