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Ramipril zur Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse: die HOPE-Studie

Während der Herbstkongresse der European Society of Cardiology und der American Heart Association wurden von P Sleight bzw. S. Yusuf die Ergebnisse der HOPE (Heart Outcomes Prevention Evaluation)-Studie vorgestellt. Aufgrund der erheblichen Resonanz auf die dort vorgestellten Daten und der therapeutischen Implikationen wurde in Abweichung vom üblichen Vorgehen inzwischen der Publikationstext in einer vorläufigen Fassung von den Herausgebern des New England Journal of Medicine im Internet veröffentlicht (www.nejm.org); die schriftliche Publikation ist im Februar erschienen (N. Engl. J. Med. 2000, 342, 145 und 154). Bei HOPE handelt es sich um eine sogenannte 2 x 2-Faktoren-Studie, d.h., bei jedem Patienten wurden 2 Substanzen getestet: jeweils doppeltblind Ramipril gegen Plazebo und Vitamin E (400 IU) gegen Plazebo. Die Auswertung des Vitamin-E-Studienteils wurde vom Ramipril-Ergebnisteil getrennt.

Hintergrund für die 1993 initiierte multizentrische Studie war die Beobachtung aus epidemiologischen und experimentellen Studien, daß ein aktiviertes Renin-Angiotensin-Aldosteron-System unabhängig vom Vorhandensein einer klinisch manifesten Herzinsuffizienz als kardiovaskulärer Risikofaktor einzustufen ist. In einer Metaanalyse der 3 großen ACE-Hemmer-Behandlungsstudien bei Herzinsuffizienz zeigte sich bei 9000 behandelten Patienten, daß das Risiko für einen späteren Myokardinfarkt durch ACE-lnhibitoren unabhängig von der jeweiligen Ejektionsfraktion um 23% reduziert wurde.

In die HOPE-Studie wurden multizentrisch 10576 kardiovaskuläre Risikopatienten (Alter mindestens 55 Jahre) eingeschlossen. Alle Patienten hatten anamnestisch eine kardiovaskuläre Erkrankung (Koronare Herzkrankheit, Hirninsult, periphere arterielle Verschlußkrankheit) oder Diabetes mellitus. Zusätzlich bestand mindestens ein weiterer kardiovaskulärer Risikofaktor (Hypertonus, erhöhtes Gesamt-Cholesterin, erniedrigtes HDL-Cholesterin, Rauchen oder dokumentierte Mikroalbuminurie). Herzinsuffizienz galt als Ausschlußkriterium; allerdings wurde nicht bei allen Patienten ein Echokardiogramm zum sicheren Ausschluß einer Myokardinsuffizienz durchgeführt.

In einer Vorlaufphase erhielten alle Patienten zunächst 10 Tage lang 2,5 mg Ramipril/d und anschließend Plazebo über 10 bis 14 Tage. Nachfolgend wurden 1035 Patienten wegen mangelnder Compliance, Nebenwirkungen oder pathologischem Serum-Kalium bzw. Kreatinin-Anstieg in der Vortestphase ausgeschlossen. Von den verbleibenden 9541 Patienten erhielten nach Randomisierung 4652 Patienten doppeltblind Ramipril (initial 2,5 mg/d; Zieldosis 10 mg/d) und 4652 Patienten Plazebo.

Die Patienten wurden international ab Dezember 1993 rekrutiert. Das Hauptzielkriterium bestand im gemeinsamen Endpunkt Myokardinfarkt, Hirninsult und kardiovaskulärem Tod. Im März/April 1999 wurde die Studie nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 4 Jahren vorzeitig abgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt war der gemeinsame Hauptendpunkt bei 653 Patienten in der Ramipril-Gruppe (14,1%) und bei 824 Patienten in der Plazebo-Gruppe (17,7%) aufgetreten (Relatives Risiko = RR: 0,78; p = 0,001). Die Risikoreduktion war unabhängig von einer Vitamin-E-Medikation. Auch für die einzelnen Endpunkte fand sich jeweils eine hochsignifikante Risikoreduktion durch Ramipril. So starben 282 Patienten in der Ramipril-Gruppe versus 375 Patienten in der Plazebo-Gruppe an kardiovaskulären Ereignissen (RR: 0,75; p = 0,001). Einen Herzinfarkt erlitten 460 Patienten unter Ramipril gegenüber 567 Patienten unter Plazebo (RR: 0,71; p = 0,001). Bei der Gesamtletalität war das RR unter Behandlung mit Ramipril 0,86 (p = 0,006). Signifikante Vorteile für die Ramipril-Gruppe fanden sich auch bei sämtlichen Nebenendpunkten: Zahl der notwendigen Revaskularisationen, Inzidenz von plötzlichem Herztod und Herzinsuffizienz, Neuauftreten eines Diabetes mellitus oder von diabetischen Komplikationen.

In Subgruppenanalysen war der Nutzen der ACE-Hemmer-Behandlung unabhängig vom Geschlecht, vom Vorliegen eines Diabetes mellitus bei Einschluß und vom Lebensalter. Die Risikoreduktion zeichnete sich bereits nach dem ersten Behandlungsjahr ab und erreichte ab dem zweiten Behandlungsjahr das Signifikanzniveau.

In einer Substudie von 496 konsekutiven Patienten an drei Zentren wurden Echokardiographien durchgeführt. Hierbei hatten nur 2,6% der Patienten eine Ejektionsfraktion < 0,40. Auch bei separater Analyse der Patienten mit einer Ejektionsfraktion > 0,40 und ohne anamnestischen Myokardinfarkt blieb der signifikante Vorteil der Therapie mit Ramipril bestehen.

Der mittlere Blutdruck betrug in beiden Gruppen initial 139/79 mmHg und am Studienende 137/76 mmHg (Ramipril) versus 139/77 mmHg (Plazebo). Die Autoren bemerken in der Diskussion, daß der präventive Nutzen der Ramipril-Behandlung mindestens in der Größenordnung einer Therapie mit Azetylsalizylsäure (ASS), Statinen oder Betablockern liegt. Die diskrete diastolische Blutdrucksenkung von 1-2 mmHg kann nur zu einem geringen Anteil für die positiven Wirkungen verantwortlich gemacht werden. Vielmehr ist es wahrscheinlich, daß der Nutzen über direkte antagonisierende Wirkungen auf die durch Angiotensin-Il-vermittelte Vasokonstriktion, die Proliferation glatter Muskelzellen, seltenere Plaquerupturen und verbesserte vaskuläre Endothelfunktion zustandekommt. Die geringere Inzidenz von Diabetes mellitus ist als Folge der verbesserten Insulinsensitivität erklärbar.

P. Sleight, auch damaliger Initiator der ISIS-Studien, bewertete die Ergebnisse der HOPE-Studie in ihrer Klarheit und therapeutischen Konsequenz als herausragend. Bei Behandlung von 1000 Hochrisikopatienten mit Ramipril über 4 Jahre lassen sich rechnerisch 150 kardiovaskuläre Ereignisse bei 70 Patienten verhindern.

Fazit: Die Gabe von Ramipril (10 mg/d) erweist sich in der HOPE-Studie als eine sehr effektive Präventivmaßnahme bei kardiovaskulären Risikopatienten ohne Herzinsuffizienz. Erneut steigt damit jedoch die Anzahl der möglichen medikamentösen Präventionsansätze. Es stellt sich dringend die Frage, ob eine Kombinationstherapie mit ASS, Betablockern, Statinen, ACE-Hemmern und Östrogenen/Antioxidanzien additiven Nutzen zeigt, bezahlbar ist und mit einer ausreichenden Compliance einhergeht. Diese Frage ist in Studien nicht untersucht. Daher kann eine „komplette“ Pharmakoprophylaxe nicht gefordert werden.