Artikel herunterladen

Leserbrief: Sekundärprophylaxe des ischämischen zerebralen Insults mit Ticlopidin?

Frage von Dr. M.S. aus Murr: >> Soll Ticlopidin eingesetzt werden, wenn während der Sekundärprophylaxe des ischämischen zerebralen Insults mit Azetylsalizylsäure (ASS) ein erneutes zerebrovaskuläres Ereignis eintritt? << Antwort: >> Die Wirksamkeit von ASS zur Prophylaxe ischämischer Insulte ist erwiesen. Die Literaturübersicht ist im ARZNEIMITTELBRIEF (1993, 27, 41) zu finden. Auch Ticlopidin ist bei dieser Indikation wirksam. Dazu gibt es zwei Studien:

In die Canadian American Ticlopidine Study (CATS) wurden 1053 Patienten eingeschlossen und randomisiert mit 250 mg Ticlopidin 2mal tgl. oder Plazebo behandelt. Die Risikoreduktion für Schlaganfall, Herzinfarkt und kardiovaskulärer Tod war 23% (1).

In die Ticlopidine Aspirin Stroke Study (TASS) wurden 3069 Patienten eingeschlossen und randomisiert mit 2mal 250 mg Ticlopidin oder 650 mg ASS 2mal tgl. behandelt. Bei einer Nachuntersuchung nach 3 Jahren ergab sich, daß Ticlopidin das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, um 21% gemindert hatte und das Risiko für Schlaganfall plus Tod um 12% im Vergleich zur ASS-Prophylaxe (2).

Durchfall war die häufigste Nebenwirkung der Ticlopidin-Prophylaxe (12,5%). Eine schwere, aber reversible Neutropenie entwickelte sich in 1%. Diese Nebenwirkung wurde nur während der ersten 90 Tage beobachtet. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, das weiße Blutbild während der ersten 3 Monate häufiger zu kontrollieren. Ticlopidin ist bei allen Untergruppen wirksam, auch wenn das ischämische Ereignis, wegen dessen die Prophylaxe durchgeführt werden soll, unter Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmern aufgetreten ist.

Die TASS-Studie ist kritisch beurteilt worden, z.B. weil zu großer Wert auf die Untergruppenanalyse gelegt wurde. Insgesamt war der Vorteil für Ticlopidin nicht groß; zumindest aber wird man sagen können, es ist wirksam (3).

Auf dieser Datenlage fußen Richtlinien zur Therapie und sekundären Prophylaxe transienter ischämischer Attacken (TIA) der American Heart Association (4) und des American College of Physicians (5).

In beiden wird festgestellt, daß Ticlopidin gegeben werden kann, wenn ASS nicht vertragen wird oder unwirksam war. ASS ist wirksam durch Hemmung der Thromboxansynthese, und Ticlopidin ist ein Antagonist von Glykoproteinrezeptoren auf der Oberfläche von Thrombozyten. Wenn das eine Prinzip nicht wirkt, kann das andere wirksam sein. Noch einleuchtender wäre allerdings die Prophylaxe mit beiden Prinzipien, wenn unter einem der Medikamente ein Rezidiv aufgetreten ist. Die Therapie mit diesen zwei unterschiedlichen Prinzipien ist aber zur Prophylaxe des Schlaganfalls noch nicht erprobt. Sie ist zur Prophylaxe des Stentverschlusses in Koronararterien gebräuchlich (6-8). Neuerdings gibt es auch eine positive Studie, welche die Wirksamkeiten von ASS und Dipyridamol nachweist, letzteres allerdings in einer sehr hochdosierten Präparation, die in Deutschland nicht im Handel ist (9).

Natürlich muß im Einzelfall eine sehr sorgfältige Nutzen-Risiko-Analyse vorausgehen. Bei möglicher kardialer Emboliequelle (z.B. Vorhofflimmern) ist die Prophylaxe mit Antikoagulanzien angezeigt.

Auch das Risikoprofil insgesamt, das Lebensalter, die „Lebensqualität“, die Compliance des Patienten sowie die Therapiekosten müssen bei der Indikation für den Einzelfall berücksichtigt werden.

Das Vorgehen zur sekundären Prophylaxe nach zerebrovaskulären Ereignissen könnte folgendermaßen aussehen (Abb. 1). << Literatur

1. Gent, M., et al.: Lancet 1989, I, 1215.
2. Hass, W.K., et al.: N. Engl. J. Med. 1989, 321, 501.
3. Van Gijn, J.: Stroke 1994, 25, 1097.
4. Feinberg, W.M., et al.: Stroke 1994, 25, 1320.
5. Guidelines: Ann. Int. Med. 1994, 121, 54.
6. de Jaegere, P.P., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 1996, 28, 89.
7. Baim, D.S., und Carozza, J.P.: Circulation 1997, 95, 1098.
8. Schömig, A., et al.: N. Engl. J. Med. 1996, 334, 1084.
9. Diener, H.C., et al.: J. Neurol. Sci. 1996, 143, 1.

Abbildung 1997-56b-1.gif