Mit Clopidogrel (Plavix, Iscover) ist seit kurzem ein neues Medikament zur Thrombozytenaggregationshemmung und damit zur Sekundärprophylaxe ischämischer Ereignisse (vgl. AMB 1997, 31, 56b) in Deutschland zugelassen. Über die zugrundeliegende CAPRIE-Studie wurde bereits berichtet (AMB 1997, 31, 13a). Unter Therapie mit Clopidogrel wurde beim Studienendpunkt Schlaganfall eine Abnahme des relativen Risikos gefunden; die Wirksamkeit entspricht etwa der von Ticlopidin (Tiklyd). Somit ist Clopidogrel statistisch auch gegenüber Azetylsalizylsäure (ASS) leicht überlegen. Clopidogrel hat gegenüber Ticlopidin den Vorteil, daß es nur einmal täglich in einer Dosis (75 mg) eingenommen werden muß und die gefürchtete Nebenwirkung Neutropenie deutlich seltener auftritt. Dadurch muß eine Blutbildkontrolle nicht so häufig erfolgen wie bei Ticlopidin. Allerdings sind die Kosten für die Tagesbehandlung (5,69 DM) etwa 15% höher als bei Tiklyd (4,99 DM). Die Umstellung auf Clopidogrel bei Patienten, die bereits länger mit Ticlopidin behandelt werden und das Medikament gut vertragen, ist nicht sinnvoll, da das Neutropenierisiko in den ersten drei Monaten nach Therapiebeginn am höchsten ist und in der Folge deutlich zurückgeht.
Ein weiteres Präparat, das in neuer Zusammensetzung in seiner sekundärprophylaktischen Wirksamkeit beim ischämischen Insult getestet wurde, ist die Kombination aus Dipyridamol (DP; 200 mg) und Azetylsalizylsäure (ASS; 25 mg). Die Zulassung ist in Deutschland voraussichtlich unter dem Namen Asasantin retard im nächsten Jahr zu erwarten.
Daher soll über eine ältere Studie berichtet werden. Für die multizentrische, doppeltblinde, plazebokontrollierte ESPS-2-Studie (Diener, H.C., et al.: J. Neurol. Sci. 1996, 143, 1) wurden 7054 Patienten randomisiert. 76,3% der Patienten hatten innerhalb von drei Monaten vor Studienbeginn einen ischämischen Insult und 23,7% eine transitorische ischämische Attacke (TIA) erlitten. Nach einem Beobachtungszeitraum von zwei Jahren mußten 438 Patienten aufgrund von Verstößen gegen das Studienprotokoll ausgeschlossen werden, so daß die Daten von 6602 Patienten ausgewertet werden konnten. Nach dem vierarmigen Studienprotokoll erhielten die Patienten entweder Plazebo (n = 1649), ASS 2mal 25 mg/d (n = 1649), DP 2mal 200 mg/d (n = 1654) oder die Kombination aus beiden Wirkstoffen (n = 1650). Die Gruppen unterschieden sich nicht bezüglich Alter, Geschlecht, Ursache und Schwere des ischämischen Ereignisses sowie Begleiterkrankungen und Risikofaktoren. Als primäre Endpunkte wurden Tod, Schlaganfall und die Kombination Schlaganfall und/oder Tod definiert. Nach zwei Jahren Therapie betrug die Schlaganfallrate 12,9% in der ASS-Gruppe, 13,2% in der DP-Gruppe, 9,9% bei Patienten, die das Kombinationspräparat erhalten hatten, und 15,8% in der Plazebo-Gruppe. Für den primären Endpunkt Schlaganfall war die Reduktion des Risikos in der ASS-Gruppe 18,1% (p = 0,013), in der DP-Gruppe 16,3% (p = 0,039) und in der DP/ASS-Gruppe 37,0% (p < 0,001). Für den kombinierten Endpunkt Schlaganfall und/oder Tod waren die entsprechenden Zahlen 13,2% in der ASS-Gruppe (p = 0,016), 15,4% in der DP-Gruppe (p = 0,015) und 24,4% in der DP/ASS-Gruppe (p < 0,001). In keiner der Behandlungsgruppen ergab sich eine signifikante Reduktion des Todesrisikos. Übersetzt in die klinische Situation können mit einer alleinigen ASS-Therapie (50 mg/d) in zwei Jahren im Vergleich zu Plazebo somit 29 Schlaganfälle pro tausend behandelte Patienten verhindert werden, mit DP (2mal 200 mg/d) 26 und mit der Kombination von DP/ASS 58. Wie zu erwarten, war bei den Patienten, die mit ASS behandelt wurden, das Risiko für Blutungskomplikationen erhöht. Dipyridamol führte häufiger zu Kopfschmerzen und gastrointestinalen Nebenwirkungen, die aber im Verlauf der Behandlung nachließen. Darüber hinaus ergab sich, daß Rauchen, Diabetes mellitus oder Vorhofflimmern einen negativen Einfluß auf die Effektivität dieser Behandlung hatten. Die vorliegende Studie belegt, daß auch eine Therapie mit der niedrigen ASS-Dosis von nur 50 mg/d erneute ischämische Ereignisse verhindern kann und somit ähnlich gut wirksam ist wie höhere Dosen. Dennoch ist das Blutungsrisiko auch bei dieser niedrigen Dosierung erhöht. Andererseits zeigt sich, daß die Kombination von DP/ASS und damit die Hemmung der Thrombozytenaggregation über verschiedene Ansatzpunkte additiv wirksam ist. Fazit: Wenn auch die Antikoagulation mit Cumarinen weiterhin erste Wahl zur Sekundärprophylaxe kardio-embolisch bedingter Insulte ist, stehen mit Clopidogrel und einem ASS/Dipyridamol-Kombinationspräparat bald zwei neue Medikamente zur Sekundärprophylaxe des nicht kardioembolischen Schlaganfalles zur Verfügung. Angesichts der Kosten und des Verhältnisses Nutzen/Risiko sollte ASS nach wie vor das Mittel der ersten Wahl sein. Als Mittel zweiter Wahl wird das deutlich teurere Clopidogrel wegen des günstigeren Nebenwirkungsprofils wahrscheinlich Ticlopidin ablösen. Bei Patienten, die bereits mit Ticlopidin behandelt werden und dies gut vertragen, erscheint eine Umstellung auf Clopidogrel nicht sinnvoll. Es bleibt abzuwarten, wo sich das ASS/Dipyridamol-Kombinationspräparat – auch im Hinblick auf die Behandlungskosten – nach seiner Zulassung einordnen wird und ob es nach dem Beginn eines akuten zerebralen Ischämiesyndroms eine besonders gefährliche Zeitspanne gibt, während der sich die (gegebenenfalls teurere) sekundäre Prophylaxe besonders lohnt.