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Niedrig dosierte Azetylsalizylsäure und Vitamin E zur Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse

Kürzlich haben wir über den unerwarteten Befund berichtet, daß gastrointestinale Blutungen bei längerfristiger Einnahme von Azetylsalizylsäure (ASS) weitgehend unabhängig von der Tagesdosis sind (1). Da auch kleine ASS-Dosen ein gastrointestinales Blutungsrisiko haben, muß man sich also überlegen, ob man einem älteren Menschen ASS zur Primärprävention kardiovaskulärer Komplikationen empfehlen kann. In einer jetzt im Lancet erschienenen Mitteilung der Collaborative Group of the Primary Prevention Project (2; Federführung: M.C. Roncaglioni aus Mailand) wird über eine in 315 Praxen und 15 Hypertonie-Kliniken durchgeführte Primärpräventions-Studie berichtet, in die insgesamt 4495 Patienten (2583 Frauen) über 50 Jahre (mittleres Alter 64,4 Jahre) prospektiv randomisiert, aber mit offener Medikation, eingeschlossen wurden. Es ging um die Frage, ob 100 mg ASS/d (dünndarm-löslich verkapselt) oder 300 mg Vitamin E/d kardiovaskuläre Ereignisse bzw. Todesfälle reduzieren können. Eingeschlossen werden konnten Patienten, die mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllten: Hypercholesterinämie > 6,4 mmol/l (> 248 mg/dl), Diabetes mellitus, Body-Mass-Index > 30 kg/m2 oder Familienanamnese von Myokardinfarkt vor dem 55. Lebensjahr bei Verwandten 1. Grades. Patienten, die Thrombozyten-Aggregationshemmer oder Antikoagulanzien nahmen, deren Bluthochdruck schlecht kontrolliert war, oder die andere Kontraindikationen gegen ASS hatten, wurden ausgeschlossen. Die Beobachtungsdauer betrug 3 bis 6 Jahre.

Ergebnisse:
ASS erniedrigte alle kardiovaskulären Endpunkte. Während in der Kontrollgruppe ohne ASS und Vitamin E 1,4% der Studienteilnehmer an einer kardiovaskulären Erkrankung starben, waren es in der ASS-Gruppe nur 0,8%. Das Relative Risiko (RR) war auf 0,56 signifikant reduziert. Die Gesamtheit kardiovaskulärer Ereignisse wurde von 8,2% (Kontroll-Gruppe) durch ASS auf 6,3% reduziert (RR = 0,77). Dieser Unterschied war ebenfalls signifikant. In der ASS-Gruppe erlitten 1,1% vs. 0,3% in der Kontroll-Gruppe (hochsignifikant) ernsthafte Blutungen. Vitamin E hatte keinerlei Effekt.

Diese Studie zeigt einen protektiven Effekt von ASS bei Patienten mit mindestens einem Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Vorteile wurden allerdings mit häufigeren Blutungen erkauft. Die Studie wurde abgebrochen, nachdem auch zwei andere Studien einen signifikant protektiven Effekt von niedrig dosiertem ASS gezeigt hatten (3, 4).

Fazit:
Niedrig dosiertes ASS hat bei Patienten mit wenigstens einem kardiovaskulären Risikofaktor einen protektiven Effekt, Vitamin E dagegen – wie auch in anderen Studien nachgewiesen – nicht. Wegen möglicher Blutungskomplikationen durch ASS sollte der Versuch einer Primärprävention vom individuellen kardiovaskulären Risikoprofil abhängig gemacht werden.

Literatur

1. Derry, S., und Loke, Y.K.: Brit. Med. J. 2000, 321, 1183; s.a.AMB 2001, 35, 8a.
2. PPP (Primary Prevention Project): Lancet 2001, 357, 89.
3. Meade, T.W., et al.: Brit. Med. J. 2000, 321, 13.
4. Hansson, L., et al. (HOT = Hypertension Optimal Treatment): Lancet 1998, 351, 1755.