Rosuvastatin, ein typisches „Me-too-Päparat” zur Cholesterinsenkung, ist in Österreich – im Gegensatz zu Deutschland – zugelassen und wird kräftig beworben (Crestor®, AstraZeneca). Die jüngst im N. Engl. J. Med. publizierte JUPITER-Studie kommt dem Hersteller und Sponsor nun sehr gelegen (1). Scheinbar eindrucksvoll konnte an einer Studienpopulation von 17 802 Probanden mit normalen Cholesterinwerten (Ausgangs-LDL-Cholesterin < 130 mg/dl bzw. < 3,4 mmol/l) und erhöhtem hs(high-sensitivity)-CRP (> 2 mg/l) gezeigt werden, dass die Einnahme von 20 mg/d Rosuvastatin das Relative Risiko um 44% hinsichtlich des primären, kombinierten Endpunkts reduziert (kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Myokardinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall, arterielle Revaskularisierung oder Krankenhausbehandlung wegen instabiler Angina pectoris). Doch was sagt diese Studie wirklich aus, wenn man Methodik und Zahlen näher betrachtet?
Zunächst fällt auf, dass 89 890 Personen in 1 315 Studienzentren gescreent werden mussten, um die hochselektive Kohorte von 17 802 Personen zu rekrutieren. 80% der gescreenten Patienten wurden letztlich nicht in die Studie aufgenommen. Die Beschreibung der Ein- und Ausschlusskriterien nimmt in der Publikation eine ganze Spalte in Anspruch, was schon zeigt, dass eine Übertragung der Studienbedingungen auf die tägliche Praxis kaum möglich ist. Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, dass zwar Probanden zur kardiovaskulären Primärprävention rekrutiert wurden, dass diese Personen jedoch für Gesunde ein relativ hohes kardiovaskuläres Risiko hatten. Es wurden nur Männer > 50 und Frauen > 60 Jahre aufgenommen. Über 40% der Patienten hatten ein metabolisches Syndrom, 50% einen Framingham-Risk-Score > 10 und fast 60% eine arterielle Hypertonie. Man könnte davon ausgehen, dass bei sehr vielen Probanden trotz des relativ niedrigen Cholesterin-Ausgangswerts eine (relative) Therapieindikation bestand. Das ist aber nicht der Fall. Der Blick auf die Ergebnisse (Tab. 1) zeigt, dass der primäre Endpunkt in der Plazebo-Gruppe von 1,36%/Jahr erreicht wurde. Das Gesamtrisiko der unbehandelten Plazebo-Gruppe lag also unterhalb des in Westeuropa üblichen Interventionspunkts von 2-4%/Jahr. Nur wenn man eine absolute Risikoreduktion von 0,59% und eine NNT (Number needed to treat) von 169 hinsichtlich des primären, zusammengesetzten Endpunkts als relevant erachtet, ist die in dieser Studie gewählte Indikation richtig.
Die Gesamtletalität wird um 0,25%/Jahr reduziert. Die NNT für die Gesamtletalität liegt daher bei 400, bei einer statistisch signifikanten relativen Risikoreduktion um 20%! Dies ist zwar signifikant, aber nicht relevant. Der geringfügigen Senkung der Gesamtletalität stehen noch unbekannte Langzeitrisiken (z.B. Diabetes mellitus) und die fehlende pharmakoökonomische Bewertung gegenüber.
Sollen wir also wirklich bei allen Patienten das hs-CRP bestimmen und erhöhte Werte wie in der JUPITER-Studie mit Rosuvastatin behandeln? Wohl kaum: epidemiologische Untersuchungen konnten zwar einen Zusammenhang zwischen erhöhtem hs-CRP und Letalität an Koronarerkrankungen zeigen, doch die klassischen Risikofaktoren erklären bereits über 90% der kardiovaskulären Morbidität, so dass der Informationsgewinn gegenüber der ausschließlichen Bestimmung der klassischen Risikofaktoren unbedeutend ausfällt (2). Auch eine kürzlich publizierte Analyse neuerer Framingham-Daten zeigt, dass die Bestimmung zusätzlicher Laborparameter kaum zur Risikostratifizierung beiträgt (3). Die Autoren der Studie sprechen zwar von einer Interventionsstrategie, die auf der Bestimmung von LDL-Cholesterin und hs-CRP beruht, in Wirklichkeit haben sie aber den Effekt einer Statin-Therapie bei hochselektierten Patienten überprüft.
Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt ist der bewusste vorzeitige Abbruch der Studie nach einer mittleren Beobachtungszeit von nur 1,9 Jahren. Dies geschah angeblich wegen der deutlichen Risikoreduktion, die eine Fortführung der „Event-getriggerten”, ursprünglich auf bis zu 60 Monate angelegten Studie verbot. Bei Betrachtung der kumulativen Inzidenzkurven fällt auf, dass sich zumindest die Gesamtletalität der Interventionsgruppe noch ganz kurz vor Studienabbruch nur um etwa 0,1% von der Letalität der Kontrollen unterschied.
Welche Schlüsse können also wirklich aus der JUPITER-Studie gezogen werden? Zum einen ist Rosuvastatin wahrscheinlich – trotz der kürzlich publizierten Negativstudie (4) – genauso effektiv in der kardiovaskulären Prävention wie andere, teilweise besser untersuchte Statine auch. Aus der JUPITER-Studie kann keine Überlegenheit von Rosuvastatin gegenüber anderen Statinen gefolgert werden. Ein direkter Vergleich fehlt, und die relative Risikoreduktion kann bei den geringen absoluten Differenzen sehr wohl ein Produkt des Zufalls sein. Allein aus Kostengründen sollte daher nach wie vor Simvastatin als Standardtherapie gelten.
Und noch eine weitere Schlussfolgerung erscheint plausibel. Die durch das Statin bewirkte relative Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse ist unabhängig von der Höhe des Cholesterins zu Beginn. Bei einem hohen kardiovaskulären Gesamtrisiko profitieren auch Personen mit sehr niedrigen Cholesterinwerten. Dies ist einmal mehr ein Argument dafür, Patienten nach ihrem kardiovaskulären Gesamtrisiko zu behandeln, statt nach LDL-Werten therapeutisch zu titrieren. Eine von der Höhe des Cholesterins unabhängige, fixe Dosis eines Statins ist wahrscheinlich auch eine gute Strategie (5).
Abschließend sei noch erwähnt, dass die JUPITER-Studie – wen wundert’s? – von AstraZeneca finanziert wurde. AstraZenaca produziert nicht nur Rosuvastatin, sondern hält auch die Patentlizenz für die Bestimmung von hs-CRP.
Fazit: Bei Patienten mit einem niedrigen kardiovaskulären Gesamtrisiko besteht weder eine Indikation zur routinemäßigen Bestimmung des hs-CRP noch zur routinemäßigen Behandlung mit Rosuvastatin oder einem anderen Statin. Wahrscheinlich ist Rosuvastatin nicht schlechter als Simvastatin zur kardiovaskulären Prävention, aber auch nicht besser.
Literatur
- Ridker, P.M., et al. (JUPITER = Justification for the Use of statins in Prevention: an Intervention Trial Evaluating Rosuvastatin): N. Engl. J. Med. 2008, 359, 2195. Link zur Quelle
- Yusuf, S., et al. (INTERHEART study): Lancet 2004, 364, 937. Link zur Quelle
- D’Agostino, R.B., Sr., et al. (FHS = Framingham Heart Study): Circulation 2008, 117, 743. Link zur Quelle
- Kjekshus, J., et al. (CORONA = COntrolled ROsuvastatin multiNAtional trial in heart failure): N. Engl. J. Med. 2007, 357, 2248. Link zur Quelle
- Donner-Banzhoff, N., und Sönnichsen, A.: BMJ 2008, 336, 288. Link zur Quelle