Artikel herunterladen

Register für klinische Studien: Veröffentlichung von Ergebnissen häufig noch Fehlanzeige

Ergebnisse klinischer Studien, die an Menschen durchgeführt werden, sollten aus ethischen und wissenschaftlichen Gründen zeitnah publiziert und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – unabhängig davon, ob sich „positive“ oder „negative“ Ergebnisse im Sinne der Fragestellung ergeben haben. Es ist wiederholt von anderen und uns darauf hingewiesen worden, dass die selektive Publikation von Studienergebnissen und das Zurückhalten von Kenntnissen zu Nebenwirkungen zu einer Fehleinschätzung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses eines Arzneimittels führen können, die dem Patienten schaden kann (z.B. 1-3).

Ein erster Schritt, diese unbefriedigende Situation zu verbessern, war das 1999 in den USA eingerichtete Register – ClinicalTrials.gov (CTG) –, in dem klinische Prüfungen der Phase II-IV erfasst werden (4). Bereits 2007 wurde in den USA durch den Food and Drug Administration Amendment Act (FDAAA) gesetzlich eine Verpflichtung zur Registrierung von klinischen Studien verankert, ebenso wie die Aufforderung an Sponsoren klinischer Studien, die Studienergebnisse zeitnah zu publizieren, d.h. spätestens ein Jahr nach Abschluss der Studie (5). Verantwortlich für die Einträge in dieses Studienregister sind die Sponsoren klinischer Studien, meist pharmazeutische Unternehmer (pU), oder die Prüfärzte bzw. Prüfzentren. Kontrollen haben jedoch gezeigt, dass diese Aufforderung der FDA nur unzureichend befolgt wird (6, 7). So ergab eine statistische Analyse der von November 1999 bis Juni 2011 in den USA registrierten klinischen Studien (n = 54.890), dass die Vorgaben des FDAAA zur zeitgerechten Registrierung der Studien in CTG und der Veröffentlichung von Ergebnissen nicht ausreichend eingehalten wurden (6). Bei etwa 75% der Studien wurden Ergebnisse nicht veröffentlicht. Die Compliance war bei den von der Industrie gesponserten Studien insgesamt höher als bei akademischen Studien. Auch bei klinischen Studien, die in CTG registriert und im Jahr 2009 abgeschlossen wurden, fand sich eine ungenügende Compliance, denn nur bei 22% der Studien wurde eine Zusammenfassung der Ergebnisse innerhalb eines Jahres nach Studienabschluss dort veröffentlicht (7).

Wir sind bereits 2011 ausführlich auf das CTG Register eingegangen sowie auf die gesetzlichen Regelungen in den USA und den damals noch großen Nachholbedarf in der Europäischen Union (EU) hinsichtlich öffentlich zugänglicher Studienregister und Pflicht zur Veröffentlichung von Studienergebnissen (8, 9).

Nun ging eine aktuelle Untersuchung von Wissenschaftlern der Duke Universität in den USA der Frage nach, wie viele klinische Studien, vor allem der Phasen I-IV, die zwischen 2008 und 2013 abgeschlossen wurden, innerhalb der vorgeschriebenen Frist von einem Jahr oder innerhalb von fünf Jahren in CTG publiziert wurden (10). Die genaue Zahl der klinischen Studien, auf die tatsächlich die oben genannten Vorgaben im FDAAA im Zeitraum 2008 bis 2013 zutreffen, ist nicht zugänglich. Daher wurde ein Algorithmus entwickelt, der auf der Basis der „National Library of Medicine“ die klinischen Studien identifizierte, für die eine Verpflichtung zur Registrierung und Publikation spätestens ein Jahr nach Abschluss der Studie bestand – „highly likely applicable clinical trials“ (HLACTs). Mit dieser Methode wurden für den Zeitraum insgesamt 32.656 klinische Studien erfasst. In einem zweiten Schritt wurden nur die Studien eingeschlossen, die vor dem 31. August 2012 als abgeschlossen gemeldet worden waren. Die Endauswertung umfasste dann 13.327 klinische Studien, von denen 77,4% als Arzneimittelstudien klassifiziert wurden. Von der Industrie gesponsert waren etwa zwei Drittel (66,5%), von den National Institutes of Health (NIH) 14,2% und von staatlichen bzw. akademischen Institutionen 20,2%. Die Mehrzahl (84,8%) der hier ausgewerteten Studien war mit dem Ziel begonnen worden, Therapiestrategien zu verbessern. Mit Fragen der Prävention bzw. mit Aspekten der Diagnostik, Pflege oder Grundlagenwissenschaft beschäftigten sich etwa 15%. Innerhalb der vorgeschriebenen Frist von einem Jahr wurden nur 1.790 (13,4%) aller ausgewerteten Studien und im gesamten Untersuchungszeitraum (2008 bis September 2013) nur gut ein Drittel aller Studienergebnisse (n = 5.110; 38,3%) in CTG veröffentlicht. Innerhalb von einem Jahr nach Studienabschluss waren Ergebnisse von 17,0% der von der Industrie gesponserten Studien in CTG veröffentlicht, aber nur 8,1% der von den NIH und 5,7% der von staatlichen oder akademischen Institutionen finanzierten Studien. Neben der Quelle des Sponsorings waren die Phasen der klinischen Studien – Ergebnisse aus frühen Phase-I/II-Studien wurden seltener publiziert als aus Phase-III-Studien – und die unter Aufsicht durch die FDA durchgeführten klinischen Studien signifikant (p < 0,001 für alle Vergleiche) mit der Veröffentlichung der Ergebnisse in CTG assoziiert. Innerhalb von fünf Jahren nach Studienabschluss war die Zahl der klinischen Studien mit publizierten Ergebnissen bei von Industrie bzw. NIH gesponserten Studien annähernd gleich (um 50%), wohingegen nur etwas mehr als 30% der von anderen Institutionen finanzierten Studien Ergebnisse veröffentlicht hatten.

Angesichts dieser ernüchternden Ergebnisse schlagen die Autoren verschiedene Maßnahmen vor, um die Vorgaben des FDAAA besser einzuhalten, insbesondere die zeitgerechte Veröffentlichung der Ergebnisse in CTG. Sie erhoffen sich eine Verbesserung der Compliance unter anderem durch spürbare Geldstrafen bei Verstößen, durch regelmäßige Erinnerungen der Sponsoren durch die FDA oder die National Library of Medicine und durch neue Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE). Auch in Europa wird sich durch die Verordnung 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln hoffentlich in absehbarer Zeit die Registrierung und Veröffentlichung von Ergebnissen klinischer Studien in einer EU-Datenbank verbessern (11, 12).

Fazit: Nur bei knapp 14% der klinischen Studien aus dem Zeitraum 2008-2013 wurde nach ihrem Abschluss eine Zusammenfassung der Ergebnisse innerhalb der vorgeschriebenen 12 Monate in ClinicalTrials.gov publiziert. Die ethisch und wissenschaftlich gut zu begründende und bereits 2007 in den USA gesetzlich verankerte Verpflichtung, über Studienergebnisse zeitnah in ClinicalTrials.gov zu berichten, wird somit unzureichend eingehalten. Um die Compliance der Sponsoren zu verbessern, sind dringend weitere Maßnahmen erforderlich. Darüber hinaus müssen Wissenschaftler und pharmazeutische Unternehmer aber auch mehr Verantwortung übernehmen, um die Ergebnisse klinischer Studien rechtzeitig in Fachzeitschriften zu publizieren – dies vor allem mit dem Ziel, Publikationsbias zu verhindern und Patienten adäquat informieren und behandeln zu können (13, 14).

Literatur

  1. Turner, E.H., et al.: N.Engl. J. Med. 2008, 358, 252. Link zur Quelle
  2. Nissen, S.E., und Wolski,K.: N. Engl. J. Med. 2007, 356, 2457. Erratum: N. Engl. J. Med. 2007, 357,100. Link zur Quelle
  3. AMB 2014, 48,30a. Link zur Quelle AMB 2014, 48, 32DB01. Link zur Quelle AMB2014, 48, 64DB01. Link zur Quelle AMB 2012, 46, 59. Link zur QuelleAMB 2010, 44, 39a. Link zur Quelle AMB 2003, 37, 55a. Link zur Quelle
  4. https://clinicaltrials.gov/Link zur Quelle
  5. http://www.fda.gov/RegulatoryInformation/Guidances/ucm125335.htmLink zur Quelle
  6. Gill, C.J.: BMJ Open2012, 2, e001186. Link zur Quelle
  7. Prayle, A.P.: BMJ2011, 344, d7373. Link zur Quelle
  8. AMB 2011, 45,54. Link zur Quelle AMB 2011, 45, 80a. Link zur Quelle
  9. Zarin, D.A., et al.:N. Engl. J. Med. 2011, 364, 852. Link zur Quelle http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMsa1012065
  10. Anderson, M.L., et al.:N. Engl. J. Med. 2015, 372, 1031. Link zur Quelle
  11. http://eur-lex.europa.eu/… Link zur Quelle
  12. AMB 2014, 48,32DB01. Link zur Quelle
  13. Schott, G., et al.: Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundhwes. 2010, 104, 314. Link zur Quelle
  14. Ross, J.S., et al.:BMJ 2012, 344, d7292. Link zur Quelle