Dulaglutid (Trulicity®) ist ein Antidiabetikum aus der Gruppe der Glucagon-like-peptide-1-Analoga (GLP-1-A, Inkretinmimetika; 1, 2); aus dieser sind Semaglutid (Ozempic®; vgl. 3) und Liraglutid (Victoza®, Saxenda®) auch zur Behandlung der Adipositas in Studien untersucht worden, und Liraglutid in dieser Indikation seit 2015 bereits zugelassen (vgl. 3).
Weitere in Deutschland erhältliche Wirkstoffe aus der Gruppe der GLP-1-A sind Exenatid (Bydureon®, Byetta®) und Lixisenatid (in Deutschland nur in Fixkombination mit Insulin Glargin erhältlich: Suliqua®). Alle Vertreter dieser Wirkstoffgruppe müssen s.c. injiziert werden. Eine Ausnahme ist orales Semaglutid (Rybelsus®), das bereits zugelassen, aber noch nicht erhältlich ist. Dulaglutid, Semaglutid und das sog. Exenatid-„Long Acting Release“ müssen einmal pro Woche injiziert werden, Liraglutid und Lixisenatid täglich und Exenatid zweimal täglich.
GLP-1 ist ein körpereigenes Hormon, das aus den enteroendokrinen L-Zellen des Dünndarms nach Stimulation durch Nahrungsbestandteile sezerniert wird. Es stimuliert Glukose-abhängig die Insulin- und inhibiert die Glukagoninkretion. Darüber hinaus sind hemmende Effekte auf die Magenentleerung und das Appetitzentrum nachgewiesen (1, 2). Das Wirkungsprofil der Wirkstoffgruppe beinhaltet neben einer Senkung des HbA1c ohne intrinsisches Hypoglykämierisiko eine signifikante Reduktion des Körpergewichts. Daneben wurde für Liraglutid, Semaglutid, Albiglutid und Dulaglutid – nicht jedoch für Lixisenatid oder Exenatid – eine signifikante Reduktion der bei Typ-2-Diabetikern erhöhten kardiovaskulären Komplikationen nachgewiesen: Nach einer Metaanalyse von 7 Studien (ELIXA, LEADER, SUSTAIN-6, EXSCEL, REWIND und PIONEER 6) mit 56.004 Teilnehmern reduzieren GLP-1-A größere kardiovaskuläre Ereignisse (MACE = „major cardiovascular events“) relativ um 12% (Hazard Ratio = HR: 0,88; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,82-0,94), die kardiovaskuläre Letalität um 16% (HR: 0,84; CI: 0,76-0,93), die Gesamtmortalität um 12% (HR: 0,88; CI: 0,83-0,95) sowie Nierenkomplikationen um 17% (HR: 0,83; CI: 0,78-0,89; vgl. 13).
Dieses Wirkprofil hat zu einer Aufwertung der Wirkstoffgruppe in aktuellen nationalen (4, 14) und internationalen (5) Leitlinien geführt. GLP-1-A werden (neben Hemmern des Sodium-Glucose-Co-Transporters 2 = SGLT2-Hemmer = Gliflozine) dabei im aktuellen Konsensbericht der europäischen diabetologischen (EASD) und kardiologischen (ESC) Fachgesellschaften bei Patienten mit arteriosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung oder hohem bis sehr hohem kardiovaskulären Risiko nun sogar als Erstlinientherapie vor Metformin empfohlen (6). In den deutschen Leitlinien wird bei diesen Patienten dagegen eine Kombinationstherapie mit Metformin und einem SGLT2-Hemmer oder einem GLP-1-A empfohlen (4, 14). Laut Fachinformation zugelassen ist Dulaglutid in der Monotherapie nur, wenn die Einnahme von Metformin wegen Unverträglichkeit oder Kontraindikationen nicht möglich ist (15).
Von den Nebenwirkungen treten Übelkeit und Diarrhö sehr häufig auf (bei bis zu 50% der Anwender), sind meist mild bis moderat und bessern sich oft im Verlauf von Wochen. Gastrointestinale Beschwerden führen allerdings auch zu vermehrten Therapieabbrüchen im Vergleich zu Plazebo (15). Die aus tierexperimentellen Daten, Ergebnissen der Zulassungsstudien und Befunden nach der Markteinführung abgeleiteten Bedenken wegen des häufigeren Auftretens von C-Zell-Karzinom der Schilddrüse, Pankreaskarzinom und Pankreatitis wurden bisher nicht bestätigt. Die Langzeitsicherheit von GLP-1-A ist allerdings weiterhin nicht geklärt: Bei den regulatorischen Arzneimittelbehörden in den USA (FDA) und Europa (EMA) besteht hinsichtlich der möglichen Nebenwirkungen Pankreaskarzinom und Pankreatitis ein Beobachtungsstatus (6, 7).
In der doppelblinden, randomisierten, plazebokontrollierten Studie REWIND wurde der kardiovaskuläre Nutzen von wöchentlich injiziertem Dulaglutid (1,5 mg) an 9.901 Teilnehmern mit Diabetes Typ 2 in 371 Zentren und 24 Ländern untersucht (8). Einschlusskriterien waren ein bestehender oder neu diagnostizierter Diabetes mellitus Typ 2, ein Alter ≥ 50 Jahre, ein HbA1c < 9,5% und ein Body-Mass-Index von mindestens 23 kg/m2. Die bestehende antidiabetische Therapie sollte, mit Ausnahme von Dipeptidylpeptidase-4(DPP-4)-Hemmern (Gliptinen) und anderen GLP-1-A, fortgeführt werden.
Im Gegensatz zu ähnlichen Untersuchungen anderer GLP-1-A war in der REWIND-Studie der Anteil der Diabetiker mit anamnestisch bekannter kardiovaskulärer Erkrankung mit 31,5% relativ gering. Zum Vergleich: Liraglutid – LEADER-Studie 81,3% (9), Semaglutid – SUSTAIN-6-Studie: 83% (10), Albiglutid – HARMONY-Outcomes-Studie: 100% (11). Die Einschlusskriterien für REWIND waren entweder eine bereits bekannte makrovaskuläre Erkrankung oder aber ein Alter > 60 Jahre plus das Vorhandensein von mindestens zwei weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren zusätzlich zum Diabetes mellitus.
Ergebnisse: Von 12.133 gescreenten Patienten wurden 10.917 in eine einfach verblindete „Run-in-Phase“ eingeschlossen, in der alle Plazebo erhielten und in der Spritztechnik unterwiesen wurden. In dieser Phase wurden 1.216 ausgeschlossen, meistens weil sie die Einschlusskriterien nicht (mehr) erfüllten oder ihre Einwilligung zurückzogen. Schließlich konnten 9.901 randomisiert werden: Dulaglutid: n = 4.949; Plazebo: n = 4.952. Für die Endauswertung standen die Daten von 4.949 Teilnehmern aus der Dulaglutid-Gruppe und von 4.952 aus der Plazebo-Gruppe zur Verfügung. Das mittlere Alter betrug 66,2 Jahre, 47% waren Frauen. In beiden Gruppen nahmen 81% Metfomin, 46% Sulfonylharnstoffe ein, und 24% spritzten Insulin.
Die REWIND-Studie fand in einer medianen Nachbeobachtungszeit von 5,4 Jahren eine signifikante Reduktion des primären zusammengesetzten Endpunkts (definiert als das erste Auftreten von nicht tödlichem Herzinfarkt, nicht tödlichem Schlaganfall bzw. kardiovaskulärem Tod (Hazard Ratio = HR: 0,88; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,79-0,99; p = 0,026) verglichen mit Plazebo (12,0% vs. 13,4%; Absolute Risikoreduktion = ARR: 1,4% in 5,4 Jahren; Number needed to treat = NNT: ca. 71/5 Jahre). Das Ergebnis war ganz maßgeblich bestimmt durch die Reduktion nicht tödlicher Schlaganfälle (HR: 0,76; CI: 0,61-0,95; p = 0,017). Kein signifikanter Unterschied ergab sich für kardiovaskulären Tod (HR: 0,91; CI: 0,78-1,06; p = 0,21) und nicht tödlichen Herzinfarkt (HR: 0,96; CI: 0,79-1,16; p = 0,65). Die Daten sind ähnlich wie die zu Semaglutid. Liraglutid ist somit weiterhin das einzige in Deutschland zugelassene GLP-1-A, das nachgewiesen auch (wenige) kardiovaskuläre Todesfälle reduziert (9), jedoch, wie oben erwähnt, in einer Population mit deutlich höherem kardiovaskulärem Risiko.
Seit dem 15.1.2021 steht Dulaglutid zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 auch in höherer Dosierung von 3,0 mg und 4,5 mg pro Woche zur Verfügung. Grundlage hierfür sind die Ergebnisse der AWARD-11-Studie (12). Primärer Endpunkt war der Nachweis einer Überlegenheit der höheren Dulaglutid-Dosierungen von 3 bzw. 4,5 mg gegenüber der Standarddosis von 1,5 mg (jeweils zusätzlich zur Metformin-Therapie) bezogen auf die Senkung des HbA1c. Der sekundäre Endpunkt beinhaltete dabei u.a. die Änderung des Körpergewichts. Nach 36 Wochen ergab sich unter den höheren Dosierungen von Dulaglutid eine etwas stärkere Senkung des HbA1c, die nur für die 4,5 mg-Dosis statistisch signifikant war: Senkung des HbA1c-Werts unter 1 mg, 3 mg bzw. 4,5 mg um durchschnittlich 1,54%, 1,64% bzw. 1,77%). Das Gewicht nahm unter der hohen Dosis von 4,5 mg Dulaglutid pro Woche stärker ab als unter der Standardtherapie mit 1,5 mg pro Woche: 4,6 kg versus 3 kg in 36 Wochen (p = 0,001).
Bei der Häufigkeit der Nebenwirkungen gab es zwar statistisch keinen Unterschied zwischen den Dosierungen, jedoch traten die typischen – Übelkeit (17,3%), Diarrhö (12,0%), Erbrechen (10%) – in den höheren Dosierungen etwas häufiger auf, nicht jedoch schwere Nebenwirkungen. Auch Studienabbrüche wegen Nebenwirkungen waren unter den höheren Dosierungen häufiger. Insgesamt traten 6 akute Pankreatitiden bei 1.842 Teilnehmern auf (1 unter 1,5 mg Dulaglutid, 2 unter 3 mg, 3 unter 4,5 mg).
Die Jahrestherapiekosten pro Patient betragen für Dulaglutid ca. 1.240 €, im Vergleich dazu für Metformin ca. 33 €-100 € und für Glibenclamid ca. 13 €-79 € (16).
Fazit: Mit Dulaglutid steht ein GLP-1-Analogon mit guter antihyperglykämischer Wirksamkeit, nachgewiesenem kardiovaskulären Nutzen und nachgewiesener Gewichtsreduktion zur Verfügung. Es ist allerdings nur mäßig verträglich. Die zusätzliche antidiabetische Therapie mit Dulaglutid ist v.a. bei übergewichtigen/adipösen Typ-2-Diabetikern mit moderat bis hohem kardiovaskulärem Risiko nach unserer Einschätzung eine Behandlungsoption. Bei Diabetikern mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko ist Liraglutid das bisher einzige GLP-1-Analogon mit geringer, aber statistisch signifikanter Reduktion kardiovaskulär bedingter Todesfälle. Diese zusätzliche medikamentöse Therapie bei Typ-2-Diabetikern ersetzt jedoch nicht eine Lebensweise mit „gesunder“, ggf. kalorienreduzierter Ernährung und regelmäßiger Bewegung, die Grundlage aller therapeutischen Interventionen bei Diabetes.
Literatur
- Campbell, J.E., und Drucker, D.J.: Cell Metab. 2013, 17, 819. Link zur Quelle
- AMB 2017, 51, 75. Link zur Quelle
- AMB 2021, 55, 21. Link zur Quelle
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- Marso, S.P., et al. (LEADER = Liraglutide Effect and Action in Diabetes: Evaluation of cardiovascular outcome Results): N. Engl. J. Med. 2016, 375, 311. Link zur Quelle Vgl. AMB 2016, 50, 66 Link zur Quelle . AMB 2020, 54, 69. Link zur Quelle
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- Kristensen, S.L., et al.: Lancet Diabetes Endocrinol. 2019, 7, 776. Link zur Quelle Erratum: Lancet Diabetes Endocrinol. 2019, 7, 776.
- https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/nvl-001l_S3_Typ_2_Diabetes_2021-03.pdf Link zur Quelle
- Fachinformation Trulicity®, Stand Februar 2021.
- https://www.g-ba.de/downloads/39-261-4373/2020- 07-16_AM-RL-XII_Dulaglutid_D-511_BAnz.pdf Link zur Quelle