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Neue Lipidsenker Teil 2: Evinacumab [CME]

Evinacumab (Evi) ist ein monoklonaler Antikörper mit neuartigem, sog. „first in class“-Wirkmechanismus. Das LDL-Cholesterin (LDL-C) im Blut wird unabhängig von den LDL-C-Rezeptoren gesenkt. Evi bindet an das hepatozelluläre Angiopoietin-like-3-Protein (ANGPTL3) und hemmt dessen Funktion (ANGPTL3-Inhibitor; [1]). ANGPTL3 fungiert u.a. als Inhibitor der Lipoproteinlipase und der endothelialen Lipase, die für die Entstehung von LDL aus VLDL mitverantwortlich sind. Menschen mit „loss of function“-Mutationen im ANGPTL3-Gen (FCHL: familiär kombinierte Hypolipidämie) haben sehr niedrige Blutfettwerte (LDL-C, HDL-C, Triglyzeride). Die wenigen homozygoten Träger leiden an Fettleber, Polyneuropathien, Ataxie und Malresorption von Fett.

Zulassung: Evi wurde 2021 in den USA unter dem Namen Evkeeza® für Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie (HoFH) zugelassen, als Ergänzung zu einer Diät und anderen, das LDL-C-senkenden Arzneimitteln [2]. HoFH ist eine „Orphan“-Krankheit mit einer Prävalenz in Europa von 1:300.000. Betroffene haben von Geburt an exorbitant hohe LDL-C-Werte (> 500 mg/dl) und erleiden oft schon vor dem 15. Lebensjahr einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Unbehandelt überleben sie selten das 2. Lebensjahrzehnt [1]. Evi wird einmal monatlich i.v. injiziert (15 mg/kg). Die Jahrestherapiekosten betragen in den USA 450.000 $ [2]. Evi wurde am 17.6.2021 unter außergewöhnlichen Umständen von der EU-Kommission zugelassen [3] [4].

Studienlage: Das Studienprogramm des Herstellers Regeneron Pharmaceuticals trägt das Akronym ELIPSE. Die der Zulassung zugrunde liegende Phase-III-Studie heißt ELIPSE-HoFH [5]. In dieser randomisierten plazebokontrollierten Studie (RCT) erhielten 65 Patienten mit HoFH nach einer Randomisierung von 2:1 zusätzlich zu einer intensiven lipidsenkenden Pharmakotherapie entweder Evi oder Plazebo. Die Mehrzahl der Probanden nahmen darüber hinaus drei weitere Lipidsenker ein: 93,8% ein Statin, 76,9% einen PCSK9-Inhibitor, 75,4% Ezetimib, und 33,8% erhielten Lipidapheresen.

Das mittlere Alter der Patienten betrug 41 Jahre, das LDL-C lag bei Studienbeginn trotz der intensiven Vorbehandlung noch durchschnittlich bei 255 mg/dl. Primärer Studienendpunkt war die zusätzliche prozentuale Senkung des LDL-C innerhalb von 6 Monaten.

Mit Evi kam es zu einer weiteren LDL-C-Senkung um 47% (vs. +1,9% mit Plazebo). Die absolute LDL-C-Senkung betrug im Mittel 135 mg/dl. Bei knapp der Hälfte der Patienten lag das LDL-C nach 24 Wochen < 100 mg/dl. Die Triglyzeride sanken um 55%, das HDL-C um 30% und Lipoprotein (a) um 5%.

Eine Ausweitung der Indikation von Evi auf die heterozygote familiäre Hypercholesterinämie (HeFH) bzw. auf Statin-unverträgliche Personen wird vom pharmazeutischen Unternehmer bereits vorbereitet. In einem Phase-II-RCT [6] wurden 272 Personen (mittleres Alter 54 Jahre) mit sog. „refraktärer Hypercholesterinämie“ (Definition: LDL-C ≥ 70 mg/dl und nachgewiesener Atherosklerose oder ≥ 100 mg/dl ohne Atherosklerose) zusätzlich zu einer Basistherapie mit PCSK9-Hemmer (100%), Statin (62%) und Ezetimib (30%) mit Evi s.c. oder i.v. in verschiedenen Dosierungen behandelt. Das Ausgangs-LDL-C betrug durchschnittlich 150 mg/dl. Nach 16 Wochen war das LDL-C dosisabhängig nochmals deutlich gesunken (um 38-56% nach s.c. und um 23,5-49,9% nach i.v. Injektion). Mit Plazebo wurde das LDL-C nicht weiter gesenkt.

Daten zu den Auswirkungen auf für Patienten relevante Endpunkte (Herzinfarkte, Schlaganfälle) liegen – wie bei den anderen neuen Lipidsenkern (vgl. [7]) – derzeit nicht vor, weder für die HoFH noch für die HeFH.

Sicherheit: Der Sicherheitsanalyse aus den Bewertungsunterlagen der EMA [1] liegen gepoolte Daten von insgesamt 182 exponierten Personen mit HoFH zugrunde. Die häufig-
sten unerwünschten Ereignisse (UAE) waren Nasopharyngitis (13,7%), „Influenza like illness“ (7,7%), Schwindel (6,0%), Rückenschmerz (5,1%) und Übelkeit (5,1%). Außerdem wurde über eine anaphylaktische Reaktion berichtet (0,9%).

In der Phase-II-Studie zur Behandlung der HeFH wurden mit Evi bei 67-84% UAE gemeldet (vs. 54-70% mit Plazebo). Häufiger waren Harnwegsinfekte (11% vs. 8%), Rötungen an der Einstichstelle (6% vs. 3%), Arthralgien (5% vs. 3%) und Myalgien (5% vs. 0%). Ein mit Evi behandelter Patient musste wegen schwerer Herzinsuffizienz behandelt werden, und einer starb an einer plötzlich aufgetretenen Herzinsuffizienz.

Die EMA weist darauf hin, dass die Informationen zur Sicherheit von Evi noch sehr begrenzt sind [2]. Der Hersteller muss regelmäßig Daten aus einem Behandlungsregister vorlegen und auch über den Verlauf von unter dieser Therapie eingetretenen Schwangerschaften und die Auswirkungen auf Fettablagerungen in den Arterien berichten. Evi ist mit einem schwarzen Dreieck auf der Packung gekennzeichnet (Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung; vgl. [8]).

Fazit

Fazit: Evinacumab ist ein extrem teurer monoklonaler Antikörper, der 2021 für die sehr seltene homozygote familiäre Hypercholesterinämie zugelassen wurde. In Kombination mit einer intensiven lipidsenkenden Mehrfachtherapie wird das LDL-C zusätzlich um 50% gesenkt, die Triglyzeride um 55%, das HDL-C um 30% und das Lipoprotein (a) um 5%. Die Auswirkungen auf klinische Endpunkte sind noch völlig unklar, und die Sicherheit dieses neuartigen Wirkstoffs ist noch sehr unübersichtlich. Eine Anwendung kommt derzeit nur bei wenigen, ausgewählten Patienten unter kontrollierten Bedingungen in Frage, beispielsweise als Alternative zur Lipidapherese.

Literatur

  1. Evkeeza EPAR: (Link zur Quelle)
  2. https://investor.regeneron.com/news-releases/news-release-details/fda-approves-first-class-evkeezatm-evinacumab-dgnb-patients/ (Link zur Quelle)
  3. https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/evkeeza (Link zur Quelle)
  4. https://www.ema.europa.eu/en/documents/overview/evkeeza-epar-summary-public_de.pdf (Link zur Quelle)
  5. Raal, F.J., et al. (ELIPSE HoFH = Efficacy and Safety of Evinacumab in Patients With Homozygous Familial Hypercholesterolemia): N. Engl. J. Med. 2020, 383, 711. (Link zur Quelle)
  6. Rosenson, R.S., et al.: N. Engl. J. Med. 2020, 383, 2307. (Link zur Quelle)
  7. AMB 2021, 55, 97. (Link zur Quelle)
  8. AMB 2013, 47, 24. (Link zur Quelle)