Auch bei stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) besteht ein hohes Risiko für akute kardiale Ereignisse (1-3). In der Genese und beim Fortschreiten der KHK spielen Entzündungsvorgänge eine wichtige pathophysiologische Rolle (4, 5). Daher wurde versucht, mit antiinflammatorischen Wirkstoffen den Krankheitsverlauf zu verbessern. Eine Studie mit Canakinumab, einem Antikörper gegen Interleukin-1beta, bei Patienten mit Myokardinfarkt in der Anamnese und zu Beginn erhöhtem C-reaktivem Protein, zeigte, dass diese ein geringeres Risiko für ein erneutes kardiovaskuläres Ereignis hatten, als vergleichbare Patienten im Plazebo-Arm (6). In einer anderen Studie zeigte Methotrexat bei Patienten mit stabiler KHK jedoch keinen Vorteil (7). Colchicin ist ein altbekannter Wirkstoff aus dem Samen der Herbstzeitlose, der beim akuten Gichtanfall, Familiärem Mittelmeerfieber und chronischem Perikarderguss (vgl. 14) erfolgreich eingesetzt wird; für die beiden letzten Indikationen besteht in Deutschland jedoch keine Zulassung. Colchicin wirkt breiter entzündungshemmend als Canakinumab und ist wesentlich kostengünstiger. Der Wirkmechanismus beruht zum Teil auf der Hemmung der Tubulin-Polymerisation während der Mitose; außerdem wird auch die Aktivierung der Leukozyten gehemmt (8-10). In der COLCOT-Studie mit Patienten, die innerhalb 30 Tagen vor Therapiebeginn einen Myokardinfarkt erlitten hatten, zeigte sich ein klinischer Vorteil in der Colchicin-Gruppe hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse. Wir haben darüber berichtet (11). Colchicin wurde mit 0,5 mg/d niedrig dosiert. In einer offenen Studie zeigte sich auch ein klinischer Vorteil bei Patienten mit stabiler KHK (12). Um diese Effekte zu überprüfen, wurde nun eine von den Untersuchern initiierte und vom australischen Staat finanzierte, doppelblinde randomisierte, plazebokontrollierte Studie vorgelegt (13).
Methodik: Diese Studie wurde an 13 kardiovaskulären Zentren in West-Australien und 30 Zentren in den Niederlanden durchgeführt. Patienten im Alter von 35-82 Jahren mit stabiler, mittels Koronarangiographie oder CT gesicherter KHK konnten an der Studie teilnehmen. Außerdem musste die KHK in den 6 Monaten zuvor klinisch stabil gewesen sein. Patienten mit Nierenerkrankungen und Unverträglichkeit gegen Colchicin wurden ausgeschlossen. Die meisten hatten eine Standardtherapie mit Lipidsenkern und Antihypertensiva, sowie Acetylsalicylsäure. Zunächst erhielten alle Patienten für einen Monat täglich 0,5 mg Colchicin („Run-in-Phase“). Alle Patienten, die dann bereit waren, an der randomisierten, verblindeten, plazebokontrollierten Studie teilzunehmen, wurden 1:1 randomisiert. Eine Gruppe erhielt Plazebo, die andere einmal 0,5 mg/d Colchicin. Der primäre Endpunkt war zusammengesetzt aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder notwendiger Koronarintervention wegen Ischämie.
Die statistischen Vorausberechnungen ergaben, dass mindesten 331 Patienten den primären Endpunkt innerhalb von einem Jahr erreichen mussten, um eine statistische Power > 90% zu erhalten. Durch den Einschluss von mehr als 5.447 Patienten wurde dies erreicht.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 5.522 Patienten randomisiert, 2.762 in die Colchicin- und 2.760 in die Plazebo-Gruppe. Beide Gruppen waren sehr gut ausgeglichen hinsichtlich Schweregrad der Erkrankung, Alter und Vortherapie. Das mediane Alter betrug 66 ± 8,6 Jahre, 846 (15,3%) waren Frauen, 11,7% waren aktive Raucher, 18,2% hatten Diabetes. Die meisten hatten in der Vergangenheit ein akutes koronares Ereignis (68%) gehabt, aber > 24 Monate vor Randomisierung in die Studie. Fast alle Patienten nahmen Lipidsenker und Plättchenaggregationshemmer ein. Der Blutdruck der Patienten war gut eingestellt: 71,7% erhielten Inhibitoren des Renin–Angiotensin-Systems und 62,1% Betablocker. Die mediane Nachverfolgung betrug 28,6 Monate.
Der primäre Endpunkt wurde bei 187 Patienten (6,8%) in der Colchicin-Gruppe und bei 264 Patienten (9,6%) in der Plazebo-Gruppe erreicht: Inzidenz: 2,5 vs. 3,6 Ereignisse pro 100 Personenjahre; Hazard Ratio = HR: 0,69; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,57-0,83; p < 0,001). Ein sekundärer Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall) wurde bei 115 Patienten (4,2%) in der Colchicin-Gruppe und bei 157 Patienten (5,7%) in der Plazebo-Gruppe erreicht: Inzidenz: 1,5 vs. 2,1 Ereignisse pro 100 Personenjahre; HR: 0,72; CI: 0,57-0,92; p = 0,007). Auch in den anderen sekundären zusammengesetzten Endpunkten wie Myokardinfarkt und kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt und notwendige Koronarintervention schnitt die Colchicin-Gruppe besser ab.
Die etwas häufigeren Todesfälle in der Colchicin-Gruppe (2,6% vs. 2,2%) waren nicht kardial, sondern anders bedingt, beispielsweise durch Krebs. Eine Erklärung dafür konnte nicht gefunden werden. Der Befund wurde als zufällig beurteilt, da sich in dieser Hinsicht in den Colchicin-Gruppen früherer Studien kein Unterschied gegenüber Plazebo ergeben hatte. Die Einleitungsphase dieser Studie hat gezeigt, dass ca. 15% der Patienten auch diese niedrige Colchicin-Dosis – meist wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen – nicht länger einnehmen wollten.
Fazit: In dieser sehr sorgfältig durchgeführten und durch öffentliche Gelder finanzierten Studie zeigte sich, dass 0,5 mg Colchicin täglich im Vergleich zu Plazebo bei Patienten mit stabiler KHK die Inzidenz koronarer Ereignisse signifikant senkt. Allerdings ergab sich ein Signal für eine höhere Sterblichkeit durch nicht-kardiovaskuläre Erkrankungen. Außerdem ist Colchicin für diese Indikation nicht zugelassen.
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