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Implantierbare Kardioverter zur Behandlung bedrohlicher tachykarder Herzrhythmusstörungen. Setzen sie sich auch zur primären Prophylaxe durch?

Tachykarde Herzrhythmusstörungen sind eine sehr häufige Todesursache von Patienten mit koronarer Herzkrankheit und eingeschränkter Ventrikelfunktion. Die Prophylaxe mit den klassischen Antiarrhythmika hat bisher keine überzeugenden Erfolge gezeigt. Eine Gruppe von Kardiologen aus USA und Kanada hat jetzt untersucht, ob die Ergebnisse besser sind, wenn nur Patienten mit besonders hohem Risiko prophylaktisch behandelt werden, nämlich solche mit eingeschränkter Ventrikelfunktion (EF < 40%), nicht anhaltender Kammertachykardie und Auslösbarkeit einer anhaltenden tachykarden Herzrhythmusstörung bei der elektrophysiologischen Untersuchung. Die antiarrhythmische Therapie wurde durch begleitende elektrophysiologische Untersuchungen in ihrer Wirksamkeit überwacht (1). 704 Patienten wurden in die Untersuchung eingeschlossen und nach elektrophysiologischer Testung entweder antiarrhythmisch behandelt oder nicht. Endpunkte waren Plötzlicher Herztod oder Tod durch eine Arrhythmie. Diesen Endpunkt erreichten innerhalb von fünf Jahren 25% der antiarrhythmisch behandelten und 32% der nicht antiarrhythmisch behandelten Patienten. Der Vorteil für die antiarrhythmisch behandelten Patienten kam dadurch zustande, daß den Patienten dieser Gruppe ein Defibrillator implantiert werden durfte, wenn eine Tachykardie auch unter antiarrhythmischer Prophylaxe auszulösen war: nur etwa 10% der mit Defibrillator behandelten Patienten erreichte den Endpunkt gegenüber 35% der nicht mit Defibrillator behandelten. Der Defibrillator ist also offenbar der medikamentösen Prophylaxe deutlich überlegen. Die Studie wurde von verschiedenen Herstellern von Antiarrhythmika und Defibrillatoren finanziell unterstützt. Kritikpunkte sind: nur 51% der nicht antiarrhythmisch behandelten Patienten erhielten als Basistherapie Betablocker, 63% Azetylsalizylsäure, 53% Digitalis, 58% Diuretika. Über andere Behandlungsmaßnahmen (Statine, Diät, Bewegungstherapie) wird nicht berichtet. Hier blieben sicher prophylaktische Möglichkeiten ungenutzt. Auch das nachgewiesenermaßen wirksame Antiarrhythmikum Amiodaron (2) wurde nicht mit der Wirksamkeit des Defibrillator gesondert verglichen. Bei der hypertrophen, obstruktiven Kardiomyopathie kommt es im Endstadium häufig zu Kammertachykardien und -flimmern. Auch diesen Patienten wird daher gelegentlich ein Defibrillator implantiert. Im New England Journal of Medicine wird über 128 Patienten berichtet, die so behandelt wurden (3). Im Verlauf (im Mittel 3,1 Jahre) kam es wegen bedrohlicher Rhythmusstörungen bei 29 Patienten zu angemessenen Defibrillator-Entladungen, die den normalen Herzrhythmus wiederherstellten. Bei 32 Patienten kam es zu Entladungen, die nicht durch eine Tachykardie ausgelöst waren. Insgesamt zeigen Defibrillatoren auch bei dieser Indikation eine Wirksamkeit. Es handelt sich hier aber nicht um eine Untersuchung, bei der diese Art der antiarrhythmischen Therapie mit anderen Interventionen (Pharmakotherapie, Schrittmachertherapie oder Gefäßablation) verglichen wurde. Es wird auch nicht gesagt, bei welchen Patienten das Risiko für so hoch eingeschätzt werden muß, daß die Implantation eines Kardioverters gerechtfertigt ist. Auf diese Defizite der Arbeit macht ein Editorial im selben Heft aufmerksam (4). In der Canadian Implantable Defibrillator Study (5, 6) fand sich insgesamt kein signifikanter Vorteil der implantierten Kardioverter im Vergleich mit Amiodaron. In einer speziellen Untergruppen-Analyse scheinen jedoch Patienten im Alter über 70 Jahre mit linksventrikulärer Ejektionsfraktion < 35% oder mit Herzinsuffizienz NYHA III oder IV vom Kardioverter zu profitieren. Auch in Deutschland hat gerade eine Untersuchung begonnen, in der die Wirksamkeit prophylaktisch implantierter Kardioverter bei Patienten untersucht wird, die ein hohes Risiko haben, nach akutem Myokardinfarkt an tachykarden Herzrhythmusstörungen zu sterben. Eingeschlossen werden Patienten mit eingeschränkter Ventrikelfunktion, Sinustachykardie bei Aufnahme und kurzen, asymptomatischen Kammertachykardien. Es ist abzusehen, daß mit dieser finanziell sehr aufwendigen Prophylaxe meßbare positive Effekte erzielt werden, wie es schon das Akronym der Studie suggeriert (IRIS-Studie = Immediate Risk-stratification Improves Survival). Auch diese Studie wird natürlich vom Hersteller der Kardioverter finanziell großzügig unterstützt – sonst wäre sie nicht möglich.

Fazit: Die drei Studien zu prophylaktisch implantierten Kardiovertern zeigen exemplarisch auch für andere Behandlungsverfahren, wohin der Weg geht: ein positiver Effekt neuer Therapieformen kann nur belegt werden, wenn finanzstarke Interessenten dies unterstützen. Andere Therapieverfahren werden dagegen nicht untersucht, nämlich die, mit denen die Industrie kein Geld verdienen kann, z.B. Verfahren zur systematischen Optimierung der Basistherapie, „Koronarsport“, Verhaltenstherapie, Diätunterweisung etc. Für den Preis eines Kardioverters könnte man einem Patienten, z.B. nach Myokardinfarkt, viele Monate lang einen „Gesundheitsberater“ zur Seite stellen. Eine solche Studie ist sicher medizinisch und ethisch gerechtfertigt und würde Arbeitsplätze schaffen – aber niemand finanziert sie.

Literatur

1. Buxton, A. E., et al.: N. Engl. J. Med. 1999, 341, 1882.
2. AMB 1997, 31, 45.
3. Maron, B. J., et al.: N. Engl. J. Med. 2000, 342, 365.
4. Watkins, H.: N. Engl. J. Med. 2000, 342, 422.
5. Connolly, S.J., et al. (Canadian Implantable Defibrillator Study = CIDS): Circulation2000, 101, 1297.
6. Sheldon, R., et al.: Circulation 2000, 101, 1660.