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Interessenkonflikte von Verfassern kardiologischer Leitlinien

Anknüpfend an unseren Artikel zur Häufigkeit finanzieller Interessenkonflikte bei Autoren US-amerikanischer Leitlinien zu soliden Tumoren (1) wurden wir von einem Leser auf zwei Publikationen von Claudia Stöllberger (Wien) und Birke Schneider (Lübeck) hingewiesen, die sich mit den Interessenkonflikten (Conflict of Interests = COI) von Autoren zweier aktueller Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) beschäftigen.

Demnach bestanden bei 19 von 21 Mitgliedern (90%; Spanne 0-35, Mittelwert 12) der Task Force – verantwortlich für die europäischen Leitlinien zur Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz (2) – COI mit der Industrie für die beiden Jahre vor der Veröffentlichung (2014/2015). Dies entspricht der Häufigkeit von finanziellen COI bei den Autoren onkologischer Leitlinien. Der federführende Autor der Task Force gab 33 und sein Stellvertreter 21 COI an. Entgegen der Beteuerung, dass es sich bei den Zahlungen meist um Forschungsunterstützungen handle, wurden 70,4% der Zuwendungen als direkte Zahlungen an den Autor deklariert. 11,6% der Zahlungen gingen an die Institution des Empfängers, 0,4% entfielen auf Lizenzgebühren und 16,8% auf institutionelle bzw. 0,8% auf persönliche Forschungsunterstützung (3). Auch unter den 87 Gutachtern der Leitlinie waren nur 18 (21%) ohne COI mit der Industrie.

Eine ähnliche Verteilung fand sich bei den Leitlinien der ESC zur Behandlung von Vorhofflimmern (4, 5; ebenfalls von 2016). 15 von 17 Autoren (88%) gaben einen COI an, im Mittel bestanden 12,3 COI (Spanne 1-32). Auch bei dieser Leitlinie sticht der federführende Autor der Leitlinien-Kommission mit 30 COI hervor. Gegenüber den Vorhofflimmern-Leitlinien aus dem Jahr 2010 hat sowohl der Anteil von Autoren mit COI insgesamt zugenommen (von 68% auf 88%) als auch die Zahl der COI pro Autor (von 8,7 auf 12,1). Auch der Anteil der Autoren, die persönliche Zahlungen von der Industrie erhalten haben, hat deutlich zugenommen (von 60% auf 82%).

Fazit: Nicht nur in US-amerikanischen Leitlinien zu soliden Tumoren, sondern auch in der europäischen Kardiologie haben die Verfasser klinischer Leitlinien in erheblichem Umfang Interessenkonflikte mit der Industrie (88-90% aller Autoren). Dies widerspricht nicht nur eklatant den heute international geltenden Prinzipien zum Umgang mit Interessenkonflikten in Leitlinien (vgl. 1), sondern untergräbt auch die Glaubwürdigkeit derartiger Leitlinien.

Literatur

  1. AMB 2016, 50,88DB01. Link zur Quelle
  2. Ponikowski, P., et al.: Eur. Heart J. 2016, 37,2129. Link zur Quelle
  3. Stöllberger, C., und Schneider, B.:Int. J. Cardiol. 2017, 228, 707. Link zur Quelle
  4. Kirchhof, P., et al.: Europace 2016,18, 1609. Link zur Quelle
  5. Stöllberger, C., und Schneider, B.:Europace 2017, in press (DOI 10.1093/europace/euw411)