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COVID-19: Wirksamkeit von Paxlovid® – einem „geboosterten“ Proteasehemmer bei nicht hospitalisierten Patienten, aber hohem Risiko für einen schweren Verlauf [CME]

Antivirale Wirkstoffe haben bisher bei Patienten mit SARS-CoV-2-Pneumonien klinisch keine eindeutig günstigen Wirkungen gezeigt [1] [2] [3], weil diese Phase von COVID-19 durch krankmachende immunologische bzw. inflammatorische Prozesse dominiert wird [4][5]. In der Frühphase der Infektion, d.h. bevor schwerwiegende Symptome (beispielsweise Lungeninfiltrate) auftreten, können spezifische monoklonale Antikörper (MAK; [6]), vermutlich aber auch antivirale Wirkstoffe [7] [8] schwere Verläufe (Krankenhausbehandlung) und/oder Todesfälle reduzieren. Einige MAK gegen das Spike-Glykoprotein sind allerdings bei Mutationen von SARS-CoV-2 deutlich weniger wirksam, z.B. bei der Omikron-Variante [9]. Derzeit einzig verbliebener MAK mit theoretischer Wirksamkeit bei Omikron ist Sotrovimab (Xevudy®[9]). Alle MAK sollten generell nur in Einrichtungen infundiert werden, in denen auch anaphylaktische Reaktionen gezielt behandelt werden können.

Derzeit sind prinzipiell drei antivirale Wirkstoffe gegen COVID-19 verfügbar, die an nicht hospitalisierten Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf untersucht wurden (Übersicht bei [10]). Zwei dieser Wirkstoffe, Remdesivir (Veklury®) und Molnupiravir (Lagevrio®), beeinflussen durch „falsche“ Bausteine die virale RNA-Synthese. Remdesivir-Triphosphat wirkt als Analogon von Adenosin-Triphosphat (ATP) und konkurriert mit dem natürlichen Sub-strat ATP um die Integration in die entstehende RNA-Kette durch die SARS-CoV-2-RNA-abhängige Polymerase. Dieses Enzym wird auch von Molnupiravir genutzt, um eine fehlerhafte RNA-Kopie zu bilden und dadurch die Vermehrung des Virus zu hemmen. Es zeigt aber eine hohe Mutationsrate und kann daher solchen Wirkprinzipien entkommen. Vorteil von Molnupiravir gegenüber Remdesivir ist, dass es oral eingenommen werden kann. Für alle Studien zu diesen therapeutischen Ansätzen gilt, dass sie an ungeimpften Patienten zu der Zeit durchgeführt wurden, als Delta die dominierende Virusvariante war. Dies gilt auch für den von der EMA empfohlenen und jetzt zugelassenen Proteaseinhibitor Paxlovid®. Diese Wirkstoffkombination hat zwei relevante Vorteile: 1. orale Anwendbarkeit, die eine ambulante Behandlung ermöglicht; 2. wahrscheinliche Wirksamkeit gegen Omikron, da die Mutationswahrscheinlichkeit bei diesem Enzym weniger wahrscheinlich ist als bei der SARS-CoV-2-Polymerase.

Bei Niereninsuffizienz muss die Dosis reduziert werden und potenzielle Interaktionen mit der bestehenden Medikation müssen vor der Einnahme überprüft werden. In Tab. 1 sind einige für den klinischen Einsatz wichtige Informationen, u.a. zur Applikation, dem Wirkmechanismus und den Vor- bzw. Nachteilen zusammengefasst.

Die Studiendaten zu Paxlovid® sind noch nicht offiziell publiziert; deshalb beziehen wir uns auf Angaben in der EMA-Empfehlung vom 27.1.2022 [11] und in einer kurzen Mitteilung des BMJ [12], sowie der Stellungnahme der National Institutes of Health (NIH) vom 19.1.2022 [13]. Wir weichen damit von unserem üblichen Vorgehen ab, nur offiziell publizierte Studien zu referieren, weil über dieses Arzneimittel in vielen Medien diskutiert und spekuliert wird, und es möglicherweise für Risikopatienten hilfreich sein könnte.

Paxlovid® ist ein mit Ritonavir „geboosterter“, d.h. verstärkter Proteaseinhibitor, und folgt einem in der Therapie der HIV-Infektion bewährten Wirkprinzip. Durch den niedrig dosierten zweiten Proteaseinhibitor Ritonavir wird der eigentlich wirksame Proteaseinhibitor (Nirmatrelvir = PF-07321332) für eine längere Zeit auf einem höheren Wirkspiegel gehalten, sodass die Tabletten nur zweimal am Tag eingenommen werden müssen. In der Studie wurden Wirksamkeit und Nebenwirkungen von 300 mg (zweimal täglich eine Tablette à 150 mg) Nirmatrelvir täglich plus 200 mg Ritonavir (zweimal täglich eine Tablette à 100 mg) über 5 Tage untersucht.

In die Studie wurden > 2.000 Patienten eingeschlossen. Sie durften nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft sein und mussten ein Risiko oder mehrere Risiken für einen schweren Verlauf (s. [8]) sowie keine Kontraindikation für die Studienmedikation haben. Die zahlreichen Kontraindikationen gegen Paxlovid® betreffen > 30 Wirkstoffgruppen, wobei durch Interaktionen mit CYP3A entweder zu hohe oder zu niedrige Wirkstoffkonzentrationen resultieren können (Übersicht bei [14]). Die COVID-19-Symptome (z.B. Fieber, Husten, Schnupfen) durften nicht länger als 3 Tage lang bestanden haben; eine Subgruppe mit Symptomen über 5 Tage wurde aber auch untersucht. Patienten mit schweren Symptomen oder Notwendigkeit einer Behandlung im Krankenhaus wurden ausgeschlossen. Der zusammengesetzte Endpunkt der Studie wurde am Tag 28 erfasst: Aufnahme ins Krankenhaus sowie Tod.

Der Endpunkt wurde bei 0,8% der Patienten (8 von 1.039) in der Behandlungsgruppe und bei 6,3% (66 von 1.046) in der Plazebo-Gruppe erreicht. Es gab keinen Todesfall in der Paxlovid®-, dagegen 12 in der Plazebo-Gruppe (Stand der Ergebnisse am 28. Januar 2022).

Die Subgruppe mit einer Dauer der Symptome von 5 Tagen war kleiner, brachte aber ähnliche Ergebnisse [12]. Von den > 2000 Studienteilnehmern berichteten mehr Patienten in der Behandlungsgruppe über Geschmacksstörungen (6% vs. 1%) und Diarrhö (3% vs. 2%). Mehr Teilnehmer in der Plazebo- als in der Verum-Gruppe brachen die Therapie ab (4% vs. 2%).

Paxlovid® ist derzeit für Ärzte/Patienten in Deutschland noch nicht erhältlich (Stand 4.2.2022 für die Charité). Das Vorgehen bei Patienten mit COVID-19 und leichten bzw. milden Symptomen, die akut nicht hospitalisiert werden müssen, aber ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben, wurde zuletzt am 19.1.2022 von Experten am NIH intensiv diskutiert [13]. Sie kommen anhand der aktuellen Daten zu einer abgestuften Empfehlung: Zunächst soll geprüft werden, ob Paxlovid® überhaupt gegeben werden kann (Ausschluss schwerwiegender Interaktionen mit anderen Medikamenten). Fall dies möglich ist, dann wäre Paxlovid® für diese Indikation erste Wahl. Steht Paxlovid® nicht zur Verfügung oder kann wegen medikamentöser Interaktionen nicht gegeben werden, dann sollte geprüft werden, ob eine Infusion von Sotrovimab möglich ist. Dieser MAK wird als einzelne i.v. Infusion von 500 mg (Patienten ≥ 10 Jahre alt und ≥ 40 kg schwer) so bald wie möglich innerhalb von 10 Tagen nach Beginn von COVID-19-Symptomen verabreicht. Ist Sotrovimab nicht verfügbar oder nicht möglich (Allergie gegen Eiweiße), dann sollte eine dreitägige Infusion von Remdesivir erfolgen. Molnupiravir sollte nur eingesetzt werden, wenn alle anderen drei Optionen nicht möglich sind [13].

Fazit

Fazit: Bei nicht hospitalisierten COVID-19-Patienten (noch) ohne schwere Symptome, aber mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf, reduzierte Paxlovid® über 5 Tage oral eingenommen bei akzeptablen Nebenwirkungen das Risiko für eine Behandlung im Krankenhaus und tödlichen Verlauf. Diese Behandlung wird auch von den National Institutes of Health in den USA empfohlen [13].

Literatur

  1. AMB 2020, 54, 95. (Link zur Quelle)
  2. AMB 2021, 55, 08a. (Link zur Quelle)
  3. AMB 2021, 55, 55. (Link zur Quelle)
  4. AMB 2020, 54, 79. (Link zur Quelle)
  5. AMB 2021, 55, 49. (Link zur Quelle)
  6. AMB 2021, 55, 104DB01. (Link zur Quelle)
  7. AMB 2021, 55, 96DB01. (Link zur Quelle)
  8. AMB 2022, 56, 13. (Link zur Quelle)
  9. https://www.nature.com/articles/d41586-021-03829-0 (Link zur Quelle)
  10. Trivedi, N., et al.: Eur. Rev. Med. Pharmacol. Sci. 2020, 24, 12593. (Link zur Quelle)
  11. https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-issues-advice-use-paxlovid-pf-07321332-ritonavir-treatment-covid-19-rolling-review-starts (Link zur Quelle)
  12. Mahase, E.: BMJ 2021, 375, n2713. (Link zur Quelle)
  13. https://www.covid19treatmentguidelines.nih.gov/therapies/statement-on-therapies-for-high-risk-nonhospitalized-patients/ (Link zur Quelle)
  14. https://www.gov.uk/government/publications/regulatory-approval-of-paxlovid/summary-of-product-characteristics-for-paxlovid
    (Link zur Quelle)