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Interessenkonflikte der externen Berater und ehemaligen Mitarbeiter der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde – honoriert wird später

Recherchen des Journalisten Charles Piller haben bisher wenig beachtete Interessenkonflikte bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) aufgedeckt: Er fand heraus, dass Mitglieder von Beratungsgremien („advisory committees“) der Behörde nach ihrem Votum zur Zulassung von Arzneimitteln erhebliche Zahlungen von den betreffenden pharmazeutischen Unternehmern (pU) oder konkurrierenden pU erhielten (1). Bei der Zulassung eines Arzneimittels ist das Votum eines „advisory committee“ für die FDA zwar nicht bindend, meist folgt sie aber der Einschätzung der Fachleute (2). Die Berater müssen vor den Tagungen finanzielle Beziehungen zu pU offenlegen, aber für die Zeit danach gibt es keine Regelungen.

Charles Piller wertete Daten aus den Jahren 2013-2016 auf der „Open payments“-Website aus, auf der Zahlungen von pU an Ärzte mit einer US-amerikanischen Zulassung veröffentlicht werden. Von den 107 Ärzten, die in dieser Zeit in den untersuchten „advisory committees“ als Berater tätig waren, erhielten 40 (37%) nach ihrer Beratungstätigkeit mehr als 10.000 US-$ von den beteiligten pU oder konkurrierenden pU. Davon bekamen 26 mehr als 100.000 US-$ und 7 mehr als 1 Mio. US-$. Nur 41 (38%) erhielten keine Zuwendungen, weder vor noch nach der Beratungstätigkeit bei der FDA.

Die Gelder, die Ärzte von pU erhalten, gehen zwar oft nicht an sie persönlich, sondern an deren Institutionen und sind an die Durchführung von Studien gekoppelt. Trotzdem bergen sie das Risiko eines Interessenkonfliktes, da die Durchführung solcher Studien ihrer Karriere förderlich sein kann. Außerdem sind mit solchen Zuwendungen oft großzügige Aufwandsentschädigungen für Reisen, Vorträge und Beratungen verbunden. So erhielt beispielsweise ein Kardiologe, der in einem advisory committee für die Zulassung von Ticagrelor gestimmt hatte, in den folgenden Jahren vom pU 2,1 Mill. US-$ für Forschung sowie ─ auch von konkurrierenden pU ─ 200.000 US-$ für Vorträge, Beratung und als Erstattung von Reisekosten.

In einer zweiten Untersuchung fand Piller heraus, dass auch ehemalige Angestellte der FDA durch Jobs oder Aufträge für Beratungen regelmäßig von den pU profitieren, bei deren Arzneimittelzulassungen sie zuvor mitgewirkt haben (3). Durch Recherchen, beispielsweise in dem webbasierten Netzwerk LinkedIn, fand der Journalist heraus, dass in einer Stichprobe von 16 Mitarbeitern der FDA, die an 28 Arzneimittelzulassungen mitgearbeitet und die Behörde danach verlassen hatten, 11 später bei den entsprechenden pU angestellt waren oder als Berater tätig waren. Als Beispiel führt er Vorgänge bei der Zulassungserweiterung von Quetiapin an: In einer Anhörung wurde durch einen Mitarbeiter der FDA die Warnung eines externen Experten vor dem Risiko eines plötzlichen Herztods unter Quetiapin heruntergespielt. Im Ergebnis wurde das Arzneimittel ohne Risikohinweis für weitere Indikationen zugelassen. Darauf folgende Untersuchungen zur Sicherheit von Quetiapin ergaben, dass die Warnung des externen Experten berechtigt war, und ein entsprechender Hinweis wurde erst 3 Jahre später in die Fachinformation eingefügt. Der betreffende FDA-Mitarbeiter gründete nach dem Ausscheiden aus der FDA eine Agentur zur Beratung von pU bei der Zulassung von Arzneimitteln. Zu seinen Kunden gehört auch der Hersteller von Quetiapin. In weiteren Beispielen beschreibt Piller, wie Mitarbeiter der FDA zu pU wechselten und sich dann bei ihren ehemaligen Kollegen in der FDA für die Zulassung von Arzneimitteln eingesetzt haben.

Fazit: Viele externe Berater und ehemalige Mitarbeiter der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA erhielten nach der Zulassung von Arzneimitteln finanzielle Zuwendungen von den betreffenden pharmazeutischen Unternehmern (pU) oder konkurrierenden pU. Dies ergaben Recherchen auf der Website, auf der die Zahlungen von pU an Ärzte in den USA veröffentlicht werden. Für den Umgang mit diesen sogenannten „pay later“-Interessenkonflikten sollten Regeln diskutiert und etabliert werden. Beim Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft wird beispielsweise eine Karenzzeit gefordert (sogenannte Abklingzeit; 4, vgl. auch 5). Vergleichbare Recherchen sind in Europa leider nicht möglich ─ es fehlt ein Gesetz, das, wie der „Physician Payments Sunshine Act“ in den USA, die pU dazu verpflichtet, ihre Zahlungen an Ärzte namentlich zu veröffentlichen (vgl. 6). Ein lesenswerter Artikel zu den „pay later“-Interessenkonflikten der FDA findet sich auch in der Juni-Ausgabe des PHARMA-BRIEFS (7).

Literatur

  1. http://www.sciencemag.org/news/… Link zur Quelle
  2. https://www.fda.gov/AboutFDA/Transparency/track/ucm216401.htm Link zur Quelle
  3. http://www.sciencemag.org/… Link zur Quelle
  4. https://lobbypedia.de/wiki/Politische_Debatte_ über_Seitenwechsel_in_Deutschland Link zur Quelle
  5. http://www.faz.net/aktuell/ wirtschaft/wirtschaftspolitik/ karenzzeit-fuer-politiker-gesetz- regelt-zwangspause-fuer-wechsel- in-die-wirtschaft-13409073.html Link zur Quelle
  6. AMB 2014, 48, 88DB01. Link zur Quelle
  7. Schaaber, J.: PHARMA-BRIEF 6/2018, S. 1. Link zur Quelle