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Koronare Herzkrankheit mit Vorhofflimmern: endgültiges Aus für die antithrombotische Tripel-Therapie?

Zusammenfassung: Nach den Studien WOEST (mit Vitamin-K-Antagonisten = VKA), PIONEER-AF (mit Rivaroxaban) und RE-DUAL PCI (mit Dabigatran) liegen nun mit AUGUSTUS (mit Apixaban) und ENTRUST-AF (mit Edoxaban) auch für die beiden verbliebenen direkten Antikoagulanzien- (DOAK-) Studien zur antikoagulatorischen Kombinationstherapie vor. Sie belegen die Sicherheit einer dualen Kombinationstherapie von DOAK plus einem P2Y12-Inhibitor (ohne Acetylsalicylsäure = ASS) im Vergleich zu einer Tripel-Therapie (DOAK oder VKA plus P2Y12-Inhibitor plus ASS) bei Patienten nach PCI (und/oder ACS) und mit Vorhofflimmern. Vermehrt thrombotisch-ischämische Ereignisse fanden sich zwar nicht, jedoch war in keiner dieser Studien die statistische Aussagekraft für diesen Endpunkt ausgelegt. Ein stärker individualisiertes Abwägen der Risiken für Stent-Thrombose, Blutungen und arterielle Thromboembolien muss in dieser Patientengruppe Grundlage für die Entscheidung über Zahl, Dosierung und Anwendungsdauer der antithrombotischen Arzneimittel sein. Dies stellt behandelnde Ärzte, Leitlinienautoren und Patienten vor neue Herausforderungen.

Etwa 6-8% aller Patienten, die nach einer perkutanen Koronarintervention (PCI) und/oder einem akuten Koronarsyndrom (ACS) eine duale Antiplättchentherapie (DAPT) mit Acetylsalicylsäure (ASS) plus einem P2Y12-Inhibitor benötigen, haben zusätzlich eine Indikation für eine dauerhafte orale Antikoagulation (OAK) mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) oder den neueren direkten Antikoagulanzien (DOAK) – meist Vorhofflimmern (Vofli); andere Indikationen sind seltener, wie z.B. mechanische Herzklappenprothesen oder Zustand nach venöser Thrombose/Embolie. Eine solche dreifache antithrombotische Therapie (Tripel-Therapie = TAT) hat im Vergleich zur alleinigen OAK ein deutlich höheres Blutungsrisiko. Sie sollte daher nach individueller Risikoabwägung (Stent-Thrombose vs. Blutung) so kurz wie möglich gehalten werden. Über dieses Problem haben wir mehrfach berichtet (1).

In den vergangenen Jahren gab es aus mehreren Studien Hinweise, dass (bei Patienten mit Vofli) eine duale antithrombotische Therapie (DAT), bestehend aus OAK und einfacher Plättchenhemmung (ohne ASS), einer TAT nicht unterlegen ist: WOEST (mit VKA; 2), PIONEER-AF (mit Rivaroxaban; 3), RE-DUAL PCI (mit Dabigatran; 4). Der Hauptkritikpunkt an allen diesen drei Studien war, dass es sich um reine Sicherheitsstudien handelte und als primäre Endpunkte nur die Häufigkeit von Blutungen untersucht wurde. Erwartungsgemäß waren diese unter DAT seltener als unter TAT. Die Häufigkeit thrombotisch-ischämischer Ereignisse – nur als sekundäre Endpunkte zur Frage der Wirksamkeit definiert – war in allen drei Studien nicht signifikant unterschiedlich. Allerdings war für eine verlässliche Aussage die Fallzahl (statistische Power) in keiner der Studien ausreichend. Alle Studien waren nicht verblindet („open label“).

Nun wurden auch zu den beiden anderen DOAK jeweils von den Herstellern gesponserte Studien zu diesem Thema publiziert: ENTRUST-AF (mit Edoxaban) und AUGUSTUS (mit Apixaban):

  • ENTRUST-AF (5) untersuchte nicht verblindet 1.506 Patienten mit Vofli sowie PCI bei ACS oder PCI elektiv. Sie wurden 1:1 für Edoxaban (einmal 60 mg oder 30 mg/d je nach Gewicht, Begleitmedikation und Nierenfunktion) vs. VKA mit Ziel-INR 2,0-3,0 plus ASS (einmal 100 mg/d) randomisiert. Beide Gruppen erhielten zusätzlich einen P2Y12-Inhibitor (> 90% Clopidogrel; übrige: Ticagrelor oder Prasugrel nach Entscheidung des behandelnden Arztes). Innerhalb der Nachbeobachtungszeit von 12 Monaten traten schwerwiegende Blutungen unter DAT (mit Edoxaban und P2Y12-Inhibitor) vs. TAT (mit VKA plus ASS plus P2Y12-Inhibitor) seltener auf; der Unterschied war aber nicht signifikant (17% vs. 20%; p = 0,1154). Der sekundäre kombinierte Endpunkt hinsichtlich Wirksamkeit (kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall, systemische arterielle Embolien, Myokardinfarkt, gesicherte Stent-Thrombose) sowie alle seine Einzelkomponenten unterschieden sich ebenfalls nicht signifikant. Auch diese Studie war aber primär darauf ausgelegt, die Nicht-Unterlegenheit einer DAT (mit Edoxaban) gegenüber einer TAT (mit VKA) im Hinblick auf die Blutungshäufigkeit nachzuweisen.

  • AUGUSTUS (6) schloss 4.614 Patienten mit Vofli ein, darunter solche mit PCI bei ACS oder PCI elektiv oder ACS ohne PCI. Sie erhielten randomisiert in einem 2 x 2-faktoriellen Design Apixaban (zweimal 5 mg oder zweimal 2,5 mg/d je nach Alter, Gewicht, Nierenfunktion lt. Gebrauchsinformation) vs. nicht verblindet VKA mit Ziel-INR 2,0-3,0 (nicht verblindet) plus ASS einmal 81 mg/d vs. Plazebo (verblindet). Somit wurden insgesamt vier Therapievarianten untersucht. Alle vier Gruppen erhielten einen P2Y12-Inhibitor (> 90% Clopidogrel; übrige: Ticagrelor oder Prasugrel nach Entscheidung des behandelnden Arztes). Innerhalb der Nachbeobachtungszeit von 3 Monaten kam es zu signifikant weniger Blutungen, sowohl unter Apixaban vs. VKA (10,5% vs. 14,7%; p < 0,001) als auch – erwartungsgemäß – unter Plazebo vs. ASS (9,0% vs. 16,1%; p < 0,001). Bei den sekundären Endpunkten, einschließlich ischämischer Ereignisse (Schlaganfall, Myokardinfarkt, Stent-Thrombose, Revaskularisation) ergaben sich mit einer Ausnahme keine signifikanten Unterschiede: Der sekundäre kombinierte Endpunkt Tod und Krankenhausaufnahme trat signifikant seltener bei Apixaban vs. VKA ein (23,5% vs. 27,4%; p = 0,002). Die hinsichtlich Risiko-Nutzen-Relation günstigste der vier untersuchten Therapievarianten war somit eine DAT mit Apixaban plus P2Y12-Inhibitor, die ungünstigste eine TAT mit VKA plus P2Y12-Inhibitor plus ASS. Dies wurde in einer aktuell publizierten Nachanalyse der AUGUSTUS-Daten für alle drei klinischen Subgruppen (PCI bei ACS; PCI elektiv; ACS ohne PCI) bestätigt (7).

Diese beiden aktuellen Studien bestätigen insgesamt die bereits in den zuvor publizierten Studien erkennbare Tendenz, dass eine DAT (ohne ASS) gegenüber einer TAT ein geringeres Blutungsrisiko hat – und dies, trotz der Verwendung regulärer DOAK-Dosierungen, während diese in den Studien zuvor noch reduziert waren. Die Frage, ob thrombotisch-ischämische Ereignisse durch das Weglassen von ASS tatsächlich nicht häufiger auftreten, wie die Analysen der sekundären Endpunkte suggerieren, wird leider auch von diesen Studien nicht definitiv beantwortet, denn auch sie waren hierfür statistisch nicht ausgelegt. Die Kritikpunkte sind daher im Wesentlichen dieselben wie bei PIONEER-AF und RE-DUAL PCI (s.o.). Die eindeutigsten Aussagen liefert die AUGUSTUS-Studie aufgrund ihrer 2 x 2-faktoriellen Struktur. Die anderen drei DOAK-Studien hatten die klassische TAT (mit VKA, P2Y12-Inhibitor und ASS) nur 1:1 mit einer DAT aus DOAK plus P2Y12-Inhibitor (RE-DUAL PCI; ENTRUST-AF) oder 1:1:1 mit unterschiedlichen DOAK-Dosierungen plus P2Y12-Inhibitor mit oder ohne ASS (PIONEER-AF) verglichen.

Eine gepoolte Metaanalyse dieser vier heterogenen Studien, die die Autoren von ENTRUST-AF im Appendix mitliefern, zeigt für die DAT (mit DOAK plus P2Y12-Inhibitor) im Vergleich zur klassischen TAT (VKA plus P2Y12-Inhibitor plus ASS) eine signifikante Reduktion von Blutungen (Risk Ratio = RR: 0,62; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,47-0,81) ohne häufigere kardiovaskuläre Ereignisse (RR: 1,06; CI: 0,91-1,22). Es ist anzunehmen, dass künftige Leitlinien für Patienten mit Vofli (bei entsprechendem CHA2DS2-VASc-Score) und nach PCI (und/oder ACS) eine DAT – bestehend aus einem DOAK und einem P2Y12-Inhibitor – sehr großzügig, möglicherweise auch als Standard, empfehlen werden. Einige Fragen bleiben dennoch offen:

  • In der Akuttherapie des ACS und auch periinterventionell bei elektiver PCI wird weiterhin die Empfehlung für eine DAPT (P2Y12-Inhibitor plus ASS) bestehen bleiben. Wie lange ASS bei Patienten mit Vofli und OAK-Indikation danach noch weiter eingenommen werden soll, ist unklar (Stunden, Tage, Wochen?). Wahrscheinlich ist es vorteilhaft, bei hohem Risiko für Stent-Thrombose – z.B. viele bzw. lange Stents, komplexe Läsionen, Stent-Thrombose in der Anamnese etc. – doch bei einer TAT zu bleiben, wobei über deren Dauer dann individuell zu entscheiden ist.

  • Bei Patienten, die eine Indikation für eine DAPT und eine OAK haben, ist künftig ein noch stärker individualisiertes Vorgehen erforderlich mit Berücksichtigung des Risikos für Stent-Thrombose, allgemeines thromboembolisches Risiko (CHA2DS2-VASc-Score) und Blutungsrisiko (HAS-BLED-Score; vgl. 10). Die aktuell publizierten Leitlinien der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft zur Behandlung der chronischen Koronaren Herzkrankheit gehen darauf bereits ein (8).

  • Ein Kopf-an-Kopf-Vergleich der DOAK wäre wünschenswert – auch, aber nicht nur im Zusammenhang mit DAT. Dass sich dabei manche Überraschungen ergeben können, hat kürzlich die ISAR-REACT-5-Studie gezeigt, in der Ticagrelor vs. Prasugrel verglichen wurde (9). Dies wird aber wohl am mangelnden Interesse der pharmazeutischen Unternehmer scheitern.

  • Alle aktuellen Leitlinien empfehlen, bei Kombination mit einer OAK Clopidogrel als P2Y12-Inhibitor zu bevorzugen, sowohl bei TAT als auch bei DAT. Ticagrelor und Prasugrel wurden in den Studien in zu geringem Umfang eingesetzt, um diesbezüglich valide Aussagen zu machen.

  • Alle Studien zu diesem Thema untersuchten ausschließlich Patienten mit Vofli. Ob die Ergebnisse auf andere Erkrankungen, z.B. Patienten mit venösen Thromboembolien oder mechanischen Herzklappen übertragbar sind, ist unklar. Letztere dürfen jedenfalls weiterhin nur mit VKA und nicht mit DOAK behandelt werden.

Literatur

  1. AMB 2018, 52, 72 Link zur Quelle . AMB 2012, 46, 17. Link zur Quelle
  2. Dewilde, W.J., et al. (WOEST = What is the Optimal antiplatElet and anticoagulant therapy in patients with oral anticoagulation and coronary StenTing): Lancet 2013, 381, 1107 Link zur Quelle . Vgl. AMB 2013, 47, 36 Link zur Quelle . AMB 2013, 47, 60. Link zur Quelle
  3. Gibson, C.M, et al. (PIONEER AF-PCI = Open-label, randomized, controlled, multicenter study exploring two treatment strategies of rivaroxaban and dose-adjusted oral vitamin K antagonist treatment strategy in subjects with Atrial Fibrillation who undergo Percutaneous Coronary Intervention): N. Engl. J. Med. 2016, 375, 2423 Link zur Quelle . Vgl. AMB 2017, 51, 17 Link zur Quelle . AMB 2017, 51, 94. Link zur Quelle
  4. Cannon, C.P., et al. (RE-DUAL PCI = Randomized Evaluation of DUAL antithrombotic therapy with Dabigatran versus triple therapy with warfarin in patients with nonvalvular atrial fibrillation undergoing Percutaneous Coronary Intervention): N. Engl. J. Med. 2017, 377, 1513. Link zur Quelle Vgl. AMB 2017, 51, 94. Link zur Quelle
  5. Vranckx, P., et al. (ENTRUST-AF PCI = EdoxabaN TReatment versUS vitamin K antagonist in paTients with Atrial Fibrillation undergoing Percutaneous Coronary Intervention): Lancet 2019, 394, 1335. Link zur Quelle
  6. Lopes, R.D., et al. (AUGUSTUS): N. Engl. J. Med. 2019, 380, 1509. Link zur Quelle
  7. Windecker, S., et al. (AUGUSTUS): Circulation 2019, Sep 26. Link zur Quelle
  8. Knuuti, J., et al.: Eur. Heart J. 2019. doi:10.1093/eurheartj/ehz425. Link zur Quelle
  9. Schüpke, S., et al. (ISAR-REACT 5 = Intracoronary Stenting and Antithrombotic Regimen: Rapid Early Action for Coronary Treatment 5): N. Engl. J. Med. 2019, 381, 1524 Link zur Quelle .
  10. AMB 2012, 46, 17. Link zur Quelle