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Leserbrief

Nochmals: Häufigkeit von Blutungen bei älteren antikoagulierten Patienten

Dr. B.R.S. aus Helmstedt schreibt: >> Seit Jahrzehnten benutze ich Ihre Zeitschrift zur Information über Pharmaka – meist mit großem Nutzen. Ihr o.a. Artikel (1) hat mich deshalb um so mehr enttäuscht. Im Fazit wird ohne Einschränkung konstatiert, dass bedeutsame Blutungen unter oraler Antikoagulation bei Patienten < 80 Jahre bei 13% pro 100 Patientenjahre auftreten und dass die Zahl der klinisch bedeutsamen Blutungen dieser Gruppe etwa dreimal höher ist als die Zahl der verhinderten Schlaganfälle. Im vorangestellten Text wird stark relativiert: 13% der Messungen ergaben einen erhöhten INR-Wert (> 3,0), 40% der Patienten nahmen zusätzlich ASS. Beides widerspricht den Leitlinien und erhöht drastisch die Blutungsgefahr. Zugegeben, Artikel, deren Themen mehr am Rande interessieren, lese ich häufig nur im „Fazit”, wie viele Kollegen. Mit dem o.g. Fazit haben Sie das Heer der Gegner einer oralen Antikoagulation unnötig, ja ich will sogar sagen sträflicherweise erhöht. <<

Antwort: >> Wir haben die Arbeit von Hylek et al. (2) referiert, weil es kaum Zahlen über die Häufigkeit (in %) von Blutungen antikoagulierter Patienten in Abhängigkeit von Alter und Komorbiditäten gibt. Dies ist ein Mangel, denn ohne solche Zahlen sind Nutzen und möglicher Schaden nicht gegeneinander abzuwägen. Die Arbeit zeigt, dass die Blutungshäufigkeit im Alter sehr deutlich zunimmt. Im Fazit haben wir die quantitative Angabe übernommen, die im Text relativiert ist. Das ist gewollt, denn viele, die nur das Fazit lesen, werden dadurch in die richtige Richtung bewegt. Sie sollten nämlich nach genauer Information des Patienten die Indikation bei Älteren eng und vorsichtig stellen, d.h. häufigere INR-Kontrollen vorsehen, Interaktionen berücksichtigen und eventuell sogar eine Einverständniserklärung unterschreiben lassen. Die Häufigkeit der Blutungen ist aber keine Kontraindikation gegen eine Antikoagulation im höheren Alter, denn eine Blutung ist meist besser zu behandeln als ein Schlaganfall.

Auch die soeben im Lancet erschienene randomisierte Untersuchung aus Birmingham (3) unterstreicht, dass das Alter allein keine Kontraindikation gegen eine Antikoagulation ist. 973 Patienten, älter als 75 Jahre, mit Vorhofflimmern, wurden entweder antikoaguliert oder mit ASS behandelt. Die Antikoagulation war bei diesen Patienten überlegen. Nach einer Beobachtungszeit von 2,7 Jahren fanden sich nur 21 Schlaganfälle, zwei intrakranielle Blutungen und eine systemische Embolie unter Antikoagulation gegenüber 44 Schlaganfällen, einer systemischen Blutung und drei systemischen Embolien unter ASS. Die Häufigkeit bedrohlicher Blutungen war 1,4% unter Antikoagulation und 1,6% unter ASS. Diese erstaunlich günstigen Zahlen sind allerdings darauf zurückzuführen, dass von insgesamt 4639 Patienten mit Vorhofflimmern nur die eingeschlossen wurden, die keine klaren Indikationen, Kontraindikationen oder – nach Aufklärung – persönliche Präferenzen für das eine oder andere Therapieprinzip hatten. Es handelte sich also um eine sehr ausgesuchte Behandlungsgruppe mit sowohl niedrigem Insult- als auch Blutungsrisiko. Darauf macht in einem Editorial auch Elaine Hylek aufmerksam (4), die Autorin des Artikels, den wir referiert haben (1). Trotzdem gibt es keinen Zweifel: Bei geeigneten Patienten > 75 Jahre ist Antikoagulation ein empfehlenswertes Therapieprinzip, wenn die notwendige Überwachung möglich ist. <<

Literatur

  1. AMB 2007, 41, 54. Link zur Quelle
  2. Hylek, E.M., et al.: Circulation 2007, 115, 2689. Link zur Quelle
  3. Mant, J., et al. (BAFTA = Birmingham Atrial Fibrillation Treatment of the Aged study): Lancet 2007, 370, 493. Link zur Quelle
  4. Garcia, D., und Hylek, E.: Lancet 2007, 370, 460. Link zur Quelle