Die Implantation eines automatischen Kardioverter-Defibrillators (ICD; Studien: MADIT, MADIT II, MUSTT) mit oder ohne kardiale Resynchronisationstherapie (CRT; Studien: COMPANION, Care-HF) hat sich als Standardmaßnahme zur Sekundär- aber auch zur Primärprophylaxe des plötzlichen Herztods durch ventrikuläre Tachykardien bei Herzinsuffizienz etabliert. Wir haben mehrfach darüber berichtet und die sich aus der Evidenzlage ergebende Ausweitung der Indikation kritisch beleuchtet (1-3). In Anbetracht der hohen Kosten und der durchaus häufigen unerwünschten Nebeneffekte hat es sich bewährt – wie bei anderen Implantaten auch – die Indikation individuell und genau zu stellen, um die Effektivität dieser Methode im Sinne einer Lebensverlängerung und besseren Lebensqualität zu optimieren.
Ein Artikel im N. Engl. J. Med. setzt sich mit einem wichtigen Aspekt der ICD-Therapie auseinander. Er wurde bisher nur wenig beachtet und ist auch forensisch problematisch – nämlich der Austausch des Aggregats, wenn der empfohlene Zeitpunkt (Recommended Replacement Time = RRT) wegen Ablauf der Batterielebensdauer erreicht ist (4). Nach Daten aus den USA machen diese Re-Implantationen zurzeit etwa 25% aller ICD-Implantationen aus, und die Häufigkeit schwerwiegender Komplikationen beträgt dabei etwa 5%.
Die klinische Praxis zeigt, dass es gewichtige Gründe gibt, bei einzelnen Patienten den ICD nicht auszuwechseln:
- Neuimplantationen von ICD betreffen häufig Patienten, die hinsichtlich Alter, Grunderkrankung und Komorbiditäten seit der Erstimplantation so weit fortgeschritten sind, dass man in dieser Situation keine Erstimplantation durchführen würde. Umgekehrt kann sich bei manchen Patienten die linksventrikuläre Funktion in der Zwischenzeit so gebessert haben, dass die Indikation für eine Erstimplantation nicht mehr gegeben wäre.
- Bei einem beträchtlichen Teil der Patienten kommt es nach Implantation des ICD bis zum Erreichen der RRT (das sind oft viele Jahre) nie zu einer Abgabe adäquater elektrischer Schocks im Rahmen ventrikulärer Tachykardien, so dass das Risiko als deutlich geringer eingeschätzt werden muss als bei der Indikation zur ICD-Erstimplantation.
- Der Wille des Patienten kann sich durch das Erleben von Komplikationen (inadäquate Schocks, frühe und späte Komplikationen durch Aggregat und Sonden), die Notwendigkeit des Wechsels an sich sowie Progredienz der Grunderkrankung und Komorbiditäten dahingehend geändert haben, dass eine Einwilligung zur Neuimplantation nicht erteilt wird.
Die Entscheidung, einen ICD nicht auszutauschen, wird problematisch durch folgende Aspekte bzw. Situationen:
- Einen ICD bei Erreichen des RRT nicht mehr (oder bei schrittmacherabhängigen Patienten nur durch einen einfachen antibradykarden Schrittmacher) zu ersetzen, kommt einer aktiven elektiven Beendigung einer potenziell lebensrettenden Therapie gleich und ist ethisch und juristisch bedenklich – obwohl diesbezüglich ein gegenteiliger Expertenkonsens vorliegt (5).
- Die Zersplitterung der Betreuung des Patienten auf zahlreiche Versorgungsebenen (Rhythmologe, Spezialist für Herzinsuffizienz, Allgemeinkardiologe, Internist, Geriater, Hausarzt) und häufig auch noch andere Spezialitäten (Pulmologe, Onkologe, Nephrologe) führt auch zu einer Zersplitterung der Verantwortlichkeiten. Oft fühlt sich niemand zuständig, eine ICD-Neuimplantation in Frage zu stellen.
- Finanzielle Aspekte und die Angst, zuweisende Kollegen zu verlieren, können die Entscheidung beeinflussen.
- Es fehlen Daten aus kontrollierten randomisierten Studien zu diesen Fragen.
Fazit: In Anlehnung an die Autoren empfehlen wir folgende Maßnahmen, um die akuten Entscheidungen bei einem anstehenden ICD-Austausch, z.B. wegen Ende der Batterielebensdauer, zu erleichtern:
- Es sollte frühzeitig, d.h. bereits bei der Erstimplantation, mit dem Patienten und seinen Angehörigen darüber gesprochen werden, dass ein Austausch des Aggregats nicht obligatorisch ist.
- Bei Erreichen des empfohlenen Austauschzeitpunkts sollte – wie auch bei der Erstimplantation – eine interdisziplinäre Diskussion über das therapeutische Gesamtkonzept für den Patienten stattfinden – idealer Weise zusammen mit dem Hausarzt und den Angehörigen des Patienten.
- Ist der empfohlene Austauschzeitpunkt erreicht, sollte erneut der Wunsch des Patienten erfragt und berücksichtigt werden.
Literatur
- AMB2003, 37, 33. Link zur Quelle
- AMB2005, 39, 89. Link zur Quelle
- AMB2010, 44, 09. Link zur Quelle
- Kramer,D.B., et al.: N. Engl. J. Med. 2012, 366, 291. Link zur Quelle
- Lampert,R., et al.: HeartRhythm 2010, 7, 1008. Link zur Quelle