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Leserbrief: Auswirkungen von Antidepressiva und Antipsychotika auf Körpergewicht und Metabolismus

Dr. B.M. aus B. schreibt (gekürzt): >> Sie greifen in Ihrem Artikel (1) ein zweifellos praktisch wichtiges Thema auf, das immer wieder in Erinnerung gebracht werden muss. Allerdings sind doch viele der getroffenen Aussagen zu holzschnittartig. So schreiben Sie, dass Adipositas per se das Risiko, eine Depression zu entwickeln, um 55% erhöht. Zum Beleg wird auf das viel zitierte systematische Review von Luppino et al. (2) hingewiesen, dessen Aussagen jedoch nach der Veröffentlichung im Jahre 2010 vielfach verfeinert wurden. So fand sich ein erhöhtes Risiko in erster Linie bei US-Amerikanern und weniger bei Europäern und auch nicht bei Menschen, die ansonsten metabolisch „normal“ sind, also keinen Diabetes oder Bluthochdruck in der Vorgeschichte haben. Wahrscheinlich ist es auch nicht die Adipositas per se, sondern speziell das vermehrte Bauchfett, das für die erhöhte Inzidenz für Depressionen verantwortlich ist (3). Auch die Aussage, dass Lithium zu Übergewicht führt, ist unzureichend belegt. Es wird nur eine alte Arbeit aus dem Jahre 1980 zitiert. Seither hat aber eine vielfältige Diskussion auf der Basis vieler Studien stattgefunden. Es geht doch nicht um irgendeine Zahl (+4,5 kg/Jahr), sondern um eine Vielzahl von Fragen, die gestellt werden müssen: Wie sicher ist dieser Befund? Wie viele Patienten haben das Problem mit Lithium? Wie kommt dieses Problem zustande? Wie kann verhindert werden, dass Patienten bei Langzeit-Anwendung von Lithium an Gewicht zunehmen? Interessierten möchte ich zwei Standardwerke zu Lithium in der Psychiatrie empfehlen (4, 5).

Mag sein, dass der Redaktion solche Anmerkungen zu spitzfindig erscheinen. Aus meiner Sicht hätten sie den Artikel aber profunder und vielleicht auch praxisnäher gemacht. Denn in der Tat: Dies ist in der psychiatrischen Praxis ein ganz großes Problem, zu dem es keine einfachen Lösungen gibt. <<

Literatur

  1. AMB 2020, 54, 17. Link zur Quelle
  2. Luppino, F.S., et al.: Arch. Gen. Psychiatry 2010, 67, 200. Link zur Quelle
  3. Hryhorczuk, C., et al.: Front. Neurosci. 2013, 7, 177. Link zur Quelle
  4. The Essential Guide to Lithium Treatment. Hrsg.: Bauer, M., und Gitlin, M., Springer Verlag 2016. ISBN 978-3-319-31214-9.
  5. Lithium in Neuropsychiatry: The Comprehensive Guide. Hrsg.: Bauer, M., Grof, P., Müller-Oerlinghausen, B., Taylor & Francis Ltd. 2006. ISBN 978-1841845159.