Seit Jahrzehnten gilt eine unbefristete Monotherapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) als Standard in der Sekundärprävention für Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) – im Anschluss an eine vorübergehende duale Antiplättchentherapie (DAPT) nach akutem Koronarsyndrom (ACS) und/oder perkutaner Koronarintervention (PCI). Dieses Vorgehen beruht auf der Evidenz aus mehreren älteren Studien (Übersicht z.B. bei [1]) sowie auf zahlreichen Leitlinien nationaler und internationaler Fachgesellschaften. Seit der Entwicklung der neueren P2Y12-Inhibitoren (Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) wird dieses Paradigma jedoch immer wieder in Frage gestellt (z.B. [2]). Bei peripherer und zerebraler arterieller Verschlusskrankheit (pAVK bzw. cAVK) ist eine Monotherapie mit Clopidogrel seit vielen Jahren etabliert, wenn auch nicht unumstritten [3]. Dies beruht im Wesentlichen auf den Daten der CAPRIE-Studie aus dem Jahr 1996 [4]. Für Patienten mit KHK waren diesbezügliche Studienergebnisse bisher nicht schlüssig.
Die auf der aktuellen Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in einer „Hot Line Session“ ausführlich vorgestellte Metaanalyse (Akronym PANTHER) untersuchte den Effekt einer Monotherapie mit ASS im Vergleich zu einer Monotherapie mit verschiedenen aktuellen P2Y12-Inhibitoren in der kardiovaskulären Sekundärprävention [5]. PANTHER wurde nicht von pharmazeutischen Unternehmern gesponsert und schloss 24.325 Patienten (mittleres Alter 64,3 Jahre; 21,7% Frauen) mit manifester KHK aus sieben randomisierten kontrollierten Studien (RCT) ein: CAPRIE, HOST-EXAM, GLASSY, TICAB, DECAB, ASCET, CADET. In diesen Studien erhielten 12.178 Patienten eine Monotherapie mit einem P2Y12-Inhibitor (62,0% Clopidogrel; 38,0% Ticagrelor) und 12.147 eine Monotherapie mit ASS. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 557 Tage. Der kombinierte primäre Endpunkt umfasste kardiovaskulären Tod, Myokardinfarkt (MI) und Schlaganfall. Dieser wurde in der P2Y12-Inhibitor-Gruppe signifikant seltener erreicht als in der ASS-Gruppe (5,5% vs. 6,3%; Hazard Ratio = HR: 0,88; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,79-0,97; p = 0,014). Die Number Needed to Treat (NNT), um ein Ereignis zu verhindern, betrug 123. Dieser Effekt war überwiegend auf eine Reduktion von MI zurückzuführen (2,3% vs. 3,0%; HR: 0,77; CI: 0,66-0,90; p < 0,001; NNT: 136).
Schwere Blutungsereignisse wurden als sekundärer Endpunkt erfasst. Diese waren in den beiden Gruppen nicht unterschiedlich (1,2% vs. 1,4%; HR: 0,87; CI: 0,70-1,09; p = 0,23). Es zeigte sich somit ein signifikant positiver Netto-Effekt in der P2Y12-Gruppe (6,4% vs. 7,2%; HR: 0,89; CI: 0,81-0,98; p = 0,020; NNT: 121). Gastrointestinale Blutungen (HR: 0,75) und hämorrhagische Schlaganfälle (HR: 0,32) waren seltener in der P2Y12-Gruppe.
Die Effekte waren in nahezu allen untersuchten Subgruppen gleichermaßen vorhanden, wie Art des P2Y12-Inhibitors, Alter, Geschlecht, Raucherstatus, Diabetes mellitus, pAVK, Niereninsuffizienz, abgelaufener MI oder Schlaganfall. Besonders ausgeprägt war der positive Effekt der P2Y12-Inhibitoren in der Gruppe der Patienten, bei denen eine PCI durchgeführt worden war (relative Risikoreduktion für den primären Endpunkt 30%).
Von Kommentatoren wird das sorgfältige Studiendesign positiv beurteilt (auf Basis individueller Patientendaten, Beschränkung auf Patienten mit KHK). Als mögliche Einschränkungen sind hervorzuheben, dass mit einem mittleren Alter von 64 Jahren meist relativ junge Patienten und nur 20% Frauen untersucht wurden, was die Validität für Ältere und für Frauen in Frage stellt. Bei nur 0,4% der Patienten gab es anamnestisch Blutungen, sodass möglicherweise diesbezüglich ein Selektionsbias vorlag. Der P2Y12-Inhibitor Prasugrel wurde, ebenso wie das nicht mehr aktuelle Ticlopidin, in keiner der analysierten Studien untersucht.
Die klinische Bedeutung der Evidenz aus PANTHER liegt somit wohl darin, dass insbesondere bei jüngeren KHK-Patienten mit niedrigem Blutungsrisiko die P2Y12-Inhibitoren Clopidogrel und Ticagrelor als möglicherweise bessere Alternative angesehen werden können, verglichen mit einer ASS-Monotherapie in der Sekundärprävention. ASS wird allerdings weiter einen Status als Standard behalten – auch in Anbetracht dessen, dass die P2Y12-Inhibitoren nicht ohne Nachteile sind (Ticagrelor: häufig Gefühl der Dyspnoe; Clopidogrel: individuell variable Metabolisierung). Diese Aspekte wurden in der Metanalyse nicht explizit untersucht. Außerdem ist ASS möglicherweise kosteneffizienter und leichter verfügbar – insbesondere global betrachtet – auch wenn mittlerweile sowohl Clopidogrel als auch Ticagrelor als Generika zugelassen sind.