Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) werden im großen Ausmaß zur Behandlung der arteriellen Hypertonie eingesetzt. In einer systematischen Literaturrecherche identifizierten kürzlich die Autoren einer Metaanalyse alle randomisierten kontrollierten Studien, in denen der Effekt von RAAS-Inhibitoren auf Morbidität und Letalität von Hypertonikern im Vergleich zu Plazebo, einer nicht RAAS-inhibierenden Kontrollmedikation oder „Usual Care” untersucht wurde (1). 20 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 158.998 Patienten wurden in die Metaanalyse eingeschlossen. 71.401 Patienten erhielten einen RAAS-Inhibitor und wurden über 299.982 Patientenjahre nachverfolgt. In sieben Studien wurden ACE-Hemmer (ACEH) und in 13 Studien Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB) eingesetzt. 87.597 Patienten wurden in den Kontroll-Gruppen mit anderer antihypertensiver oder keiner Behandlung über 377.023 Patientenjahre lang beobachtet.
Nach einer mittleren Nachbeobachtung von 4,3 Jahren fand sich eine signifikante Reduktion der Gesamtletalität unter Behandlung mit RAAS-Inhibitoren im Vergleich zu den Kontroll-Gruppen: 20,9 vs. 23,3 Todesfälle/1000 Patientenjahre (Hazard Ratio = HR: 0,95; 95%-Konfidentintervall = CI: 0,91-1,00; p = 0,032). Dies entspricht einer absoluten Risikoreduktion von 0,24%/Jahr (Number needed to treat = NNT: 417/Jahr). Auch hinsichtlich der kardiovaskulären Letalität ergab sich kein wesentlich anderes Bild: 8,7 vs. 10,1 Todesfälle/1000 Patientenjahre. Die absolute Risikoreduktion lag sogar nur bei 0,14%, und die NNT somit bei 714 für einen Behandlungszeitraum von einem Jahr.
Nach bisherigen Einschätzungen wirken diese Ergebnisse auf den ersten Blick sehr ernüchternd, liegt die relative Risikoreduktion doch deutlich unter 20-25%, mit denen üblicherweise gerechnet wird. Hochgerechnet auf zehn Jahre beträgt die NNT für die Verhinderung eines Todesfalls etwa 40, was zumindest in der Primärprävention einem üblichen Behandlungserfolg entspricht. Sieht man sich die Zahlen genauer an, überrascht folgendes Ergebnis: die gesamte Reduktion der Gesamtletalität geht in dieser Studie auf die Behandlungseffekte in den ACEH-Studien zurück. Die absolute Risikoreduktion lag in den ACEH-Studien bei 3,8 Todesfällen/1000 Patientenjahre, entsprechend einer NNT von 263/Jahr oder 26 in zehn Jahren. Das gleiche Ergebnis fand sich auch für die kardiovaskuläre Letalität: ACEH waren mit einer Reduktion der Letalität assoziiert; für die AT-II-RB ließ sich in dieser Metaanalyse kein Effekt nachweisen.
Bereits in einer vorangegangenen Metaanalyse (2) war der Verdacht aufgekommen, dass AT-II-RB Gesamtletalität und kardiovaskuläre Letalität bei hypertensiven Patienten nicht senken. Leider wird in der aktuellen Arbeit nicht berichtet, ob die Blutdrucksenkung in den ACEH-Studien gleich stark war wie in den AT-II-RB-Studien. Es wird lediglich in einer Regressionsanalyse gezeigt, dass Gesamtletalität und kardiovaskuläre Letalität signifikant von der Höhe des systolischen Ausgangsblutdrucks und vom Ausmaß der Blutdrucksenkung abhängen. Wir wissen also nicht, ob die Blutdrucksenkung in den ACEH-Studien möglicherweise stärker war und ob ACEH vergleichsweise höher dosiert wurden als AT-II-RB.
Das Ergebnis dieser Metaanalyse wird von den Autoren auch dahingehend kommentiert, dass die primäre Frage nicht der Vergleich zwischen ACEH und AT-II-RB war, sondern die Effektivität der RAAS-Inhibitoren insgesamt. Der Vergleich entspricht also einem post hoc definierten sekundären Endpunkt und ist streng genommen unzulässig. Es könnten auch systematische und zufällige Unterschiede in das Ergebnis eingegangen sein, die nichts mit der Antihypertensivaklasse zu tun haben. So fand sich auch in den einzigen beiden Head-to-head-Studien zwischen ACEH und AT-II-RB kein signifikanter Unterschied in Gesamtletalität, kardiovaskulärer Letalität und Ereignisrate (3, 4).
Dennoch gibt das Ergebnis zu denken. AT-II-RB sind in den letzten Jahren trotz anders lautender Leitlinien häufig als First-line-Therapie eingesetzt worden mit dem Argument, sie seien besser verträglich. Hinsichtlich der Senkung der Gesamtletalität und der kardiovaskulären Letalität wird diese Praktik durch die aktuelle Metaanalyse nicht gestützt. Die Aussagekraft reicht insgesamt jedoch nicht aus, die Leitlinien zu ändern. Hierzu wären Studien mit ausreichender statistischer „Power” erforderlich, die ACEH und AT-II-RB direkt vergleichen. In Anbetracht der geringen Unterschiede wird es diese Studien voraussichtlich nicht geben, da weit über 20.000 Patienten erforderlich wären.
Fazit: Eine Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien ergab, dass Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems bei Hypertonie sowohl Gesamtletalität als auch kardiovaskuläre Letalität senken. ACE-Hemmer sollten bevorzugt eingesetzt werden und Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (Sartane) nur bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit. Entscheidend ist die Senkung des erhöhten Blutdrucks, nicht die Substanzklasse, mit der sie erreicht wird.
Literatur
- van Vark, L.C., etal.: Eur.Heart J. 2012 doi:10.1093/eurheart/ehs075. Link zur Quelle
- Bangalore, S., et al.: BMJ 2011, 342, d2234. Link zur Quelle
- Yusuf, S., et al. (ONTARGET = ONgoing TelmisartanAlone and in combination with Ramipril GlobalEndpoint Trial): N. Engl. J. Med. 2008, 358, 1547. Link zur Quelle Vgl. AMB 2008, 42,62. Link zur Quelle
- Barnett, A.H., et al. (DETAIL = Diabetics Exposed to Telmisartan And enalaprIL): N. Engl. J. Med. 2004, 351,1952. Link zur Quelle Erratum: N. Engl. J. Med. 2005, 352, 1731. Vgl. AMB 2004, 38,91. Link zur Quelle