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Präventive kardiovaskuläre Wirksamkeit von Warfarin im Alltag bei alten Patient(inn)en nach Schlaganfall mit Vorhofflimmern

Weltweit erleiden jährlich ungefähr 15 Millionen Menschen einen Schlaganfall (1). Ca. 15% der Schlaganfälle gehen auf Vorhofflimmern zurück. Dieser Anteil steigt mit zunehmendem Alter (2-3). Mehrere große klinische Studien mit ausgewählten Patientengruppen haben schon vor Jahren gezeigt, dass eine orale Antikoagulation (OAK) mit Warfarin in der Prävention ischämischer Schlaganfälle wirksam ist (4-10). Dies hat Eingang in die europäischen und nordamerikanischen Leitlinien gefunden und wird weitgehend praktiziert. Trotz dieser seit langem klaren Studienlage ergeben sich nicht selten Diskrepanzen, wenn Arzneimittel, die sich in Studien bewährt haben, in der täglichen Routine (real world) angewendet werden. Die Auswirkungen einer Langzeittherapie mit Warfarin auf das Leben älterer Patienten nach Schlaganfall und mit Vorhofflimmern sind nicht gut untersucht. Für Patienten ist neben dem Überleben wichtig, dass kein weiterer Schlaganfall oder ein anderes kardiovaskuläres Ereignis eintritt und kein Aufenthalt im Krankenhaus wegen Nebenwirkungen der Therapie notwendig wird. In einer aktuellen Registerstudie wurde deshalb auch die Zeit registriert, die Patienten nach Schlaganfall tatsächlich zu Hause ohne weitere Krankenhausaufenthalte gelebt haben (11).

Methodik: In dieser Beobachtungsstudie wurden Patientendaten aus dem nordamerikanischen Register „American Heart Association/American Stroke Association Get With The Guidelines-Stroke Program“ mit Daten des „Centers for Medicare and Medical Services“ verlinkt, um die Langzeiteffekte einer Warfarin-Therapie nach Schlaganfall zu erfassen.

Die Daten wurden an 1.487 amerikanischen Krankenhäusern zwischen 2009 und 2011 erhoben. Insgesamt wurden 12.552 Patienten erfasst, die einen Schlaganfall bei Vorhofflimmern ohne Vorbehandlung mit Warfarin erlitten hatten. Diejenigen, die mit Warfarin nach Hause entlassen worden waren (n = 11.039 = 89%; mittleres Alter 80,1 ± 7,5 Jahre; 59,6% Frauen) wurden nachverfolgt und mit der Gruppe verglichen, die ohne OAK entlassen worden war (n = 1.513; mittleres Alter 83,1 ± 7,9 Jahre; 63,2% Frauen). Die Gründe, warum die Patienten aus der Vergleichsgruppe keine OAK erhalten hatten, lassen sich aus dem Register nicht nachvollziehen. Nach den Berechnungen der Autoren mit Hilfe eines sog. „warfarin treatment propensity models“ bekamen ältere Patienten mit einer Schlaganfall-, KHK-, Diabetes- oder Raucher-Anamnese seltener, dagegen Patienten, die von einem Schlaganfall-Zentrum betreut wurden, häufiger Warfarin. Die Patienten ohne Warfarin waren also im Mittel etwas älter und hatten auch noch weitere „Nachteile“ gegenüber denen mit OAK. Der Schweregrad des aktuellen Schlaganfalls war in beiden Gruppen jedoch nicht unterschiedlich. Die primären Endpunkte der Studie waren größere kardiovaskuläre Ereignisse (major cardiovascular events) sowie die Zeit, die die Patient(inn)en zu Hause leben konnten, gemessen an den Tagen ohne institutionelle Hilfe.

Ergebnisse: Die Patienten, die mit Warfarin behandelt wurden, hatten ein geringeres Risiko für den zusammengesetzten Endpunkt größeres kardiovaskuläres Ereignis, für Tod oder Schlaganfallrezidiv (vgl. Tab. 1). Darüber hinaus war die Zeit, die die Patienten zu Hause ohne Krankenhausaufenthalte leben konnten, in der Warfarin-Gruppe im Zeitraum von bis zu zwei Jahren nach dem Schlaganfall länger (vgl. Tab. 1). Die Unterschiede ergaben sich in allen Subgruppen, analysiert nach Alter, Geschlecht, Schwere des Schlaganfalls, frühere kardiovaskuläre Ereignisse bzw. frühere Schlaganfälle, was die Wahrscheinlichkeit eines bedeutsamen Selektionsbias vermindert.

Die Autoren schränken die Aussagekraft ihrer Ergebnisse ein. An Hand des Studiendesigns war es nämlich nicht möglich, genau zu eruieren, ob und wieweit die betroffenen Patienten private Hilfe oder öffentliche Hilfseinrichtungen in Anspruch genommen haben. Auch konnte nicht festgestellt werden, ob Patienten wegen Armut (!) nicht die Leistungen von Medicare (s.o.) erhalten konnten und zu Medicaid wechseln mussten, einer medizinischen Versorgungseinrichtung für Arme in den USA. Trotzdem gibt die Analyse Hinweise darauf, dass sich die Effekte einer OAK mit Warfarin nach Schlaganfall nicht nur auf die Zahl neuer kardiovaskulärer Ereignisse, sondern auch auf die Lebensqualität älterer Patienten mit Vorhofflimmern günstig auswirken.

Fazit: Bei alten Patient(inn)en mit Vorhofflimmern und Schlaganfall ist die anschließende Therapie mit Warfarin nicht nur präventiv wirksam im Hinblick auf relevante kardiovaskuläre Ereignisse, sondern auch im Hinblick auf die Zeit, die sie ohne weitere Krankenhausaufenthalte zu Hause leben können.

Literatur

  1. World Health Organization. Global burden ofstroke. In: The atlas of heart disease and stroke. WHO, 2004. Link zur Quelle
  2. Goldstein,L.B., et al.: Stroke 2011, 42, 517. Link zur Quelle
  3. Wolf, P.A., et al. (Framingham study): Stroke 1991, 22, 983. Link zur Quelle
  4. Hylek, E.M., et al. (ATRIA = AnTicoagulation and Riskfactor In Atrial fibrillation): N. Engl.J. Med. 2003, 349, 1019. Link zur Quelle
  5. EAFT = European Atrial FibrillationTrial: Lancet 1993, 342, 1255 Link zur Quelle. Vgl. AMB 1997, 31, 30. Link zur Quelle
  6. SPAF III = Stroke Prevention in AtrialFibrillation III: Lancet 1996, 348, 633 Link zur Quelle. Vgl. AMB 1997, 31, 30. AMB 2006, 40, 60. Link zur Quelle
  7. Petersen, P., et al. (AFASAK = Copenhagen Atrie FlimmerASpirin AntiKoagulation study): Lancet 1989, 1, 175. Link zur Quelle
  8. Ezekowitz,M.D., et al.: N. Engl. J. Med. 1992, 327, 1406. Link zur Quelle
  9. BAATAF = Boston Area AnticoagulationTrial for Atrial Fibrillation: N. Engl. J. Med. 1990, 323,1505 Link zur Quelle .Vgl. AMB 1991, 25, 7 und 89. AMB 1993, 27, 18 und 41.
  10. Connolly,S.J., et al. (CAFA = Canadian Atrial Fibrillation Anticoagulationstudy): J. Am. Coll. Cardiol. 1991, 18, 349 Link zur Quelle. Vgl. AMB 1991, 25, 89. AMB 1993, 27, 18und 41.
  11. Xiang, Y., et al.(PROSPER = Patient-centered Research into Outcomes Strokepatients Prefer and Effectiveness Research): BMJ 2015, 351, h3786. Link zur Quelle

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