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Thromboembolie-Prophylaxe nach Hüft- oder Kniegelenkersatz – ASS versus Rivaroxaban

Evidenz-basierte Leitlinien empfehlen zur Thromboembolie-Prophylaxe nach Hüft- oder Kniegelenkersatz (Arthroplastik) eine Behandlung mit Antikoagulanzien für mindestens 14 Tage, besser für bis zu 35 Tage (1). Die Behandlung wird in den letzten Jahren zunehmend mit direkt wirkenden oralen Antikoagulanzien (DOAK) durchgeführt. Eine Gruppe kanadischer Kliniker entnahm aus Metaanalysen klinischer Studien Hinweise darauf, dass die Fortsetzung der DOAK-Behandlung mit Azetylsalizylsäure (ASS) einige Tage nach der Operation ähnlich wirksam sein könnte wie die Weiterbehandlung mit einem teuren DOAK (z.B. 2).

An der jetzt im N. Engl. J. Med. publizierten EPCAT-II-Studie waren 15 Universitäts-Kliniken in Kanada beteiligt (3). Die doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studie wurde ohne Beteiligung pharmazeutischer Unternehmer durchgeführt. Die Autoren schlossen in die von lokalen Ethik-Kommissionen genehmigte Studie insgesamt 3.424 Patient(inn)en ein mit geplanter Arthroplastik des Knie- (n = 1.620) oder Hüftgelenks (n = 1.804) nach Aufklärung und Zustimmung. Die Operationen wurden wie vor Ort üblich, d.h. nicht standardisiert, durchgeführt.

Methodik: Alle Patient(inn)en erhielten frühestens 6 Stunden nach Wundverschluss oder am Morgen des ersten postoperativen Tags die erste DOAK-Dosis (10 mg Rivaroxaban = Xarelto®), gefolgt von einmal täglich die gleiche Dosis bis zum 5. postoperativen Tag. Patient(inn)en nach Knie-Arthroplastik wurden randomisiert (1:1), entweder für die weitere Einnahme von 10 mg/d Rivaroxaban oder für 81 mg/d ASS für weitere 9 Tage (Gesamtdauer der Prophylaxe: 14 Tage). Patient(inn)en nach Hüft-Arthroplastik erhielten die gleiche Prophylaxe entsprechend Randomisierung für zusätzlich 30 Tage (1:1 Rivaroxaban versus ASS; insgesamt also für 35 Tage).

Primärer Endpunkt war die Zahl der bis zum 90. postoperativen Tag auftretenden Thromboembolien (alle tiefen Beinvenen-, Beckenvenen- und untere Vena-cava-Thrombosen sowie Lungenembolien), die bei klinischem Verdacht mit apparativen Standard-Methoden diagnostiziert wurden. Bestand kein klinischer Verdacht auf eine Thromboembolie wurden keinen apparativen Untersuchungen vorgenommen. Sekundäre Endpunkte waren Tod, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Wundinfektionen. Primäre Sicherheitsendpunkte waren größere und klinisch relevante kleinere Blutungen. In den beiden Hüft-Arthroplastik-Gruppen (mittleres Alter 61 Jahre) waren 53% Männer, in den beiden Knie-Arthroplastik-Gruppen (mittleres Alter 65 Jahre) waren 43% (Rivaroxaban) bzw. 40% (ASS) Männer. Die Body-Mass-Indices lagen in den vier Gruppen im Mittel zwischen 29,5 und 33 kg/m2. Die verglichenen Gruppen unterschieden sich kaum hinsichtlich demografischer Merkmale oder des Typs der operativen Methoden.

Zu bemerken ist, dass Patient(inn)en, die vor der Operation routinemäßig zur kardiovaskulären Protektion niedrig dosiert ASS (maximale Dosis 100 mg/d) einnahmen, diese Einnahme zusätzlich zu der Studienmedikation fortsetzen durften.

Ergebnisse: Insgesamt ereigneten sich unter Rivaroxaban 12 Thromboembolien (davon 6 Lungenembolien), unter ASS 12 Thromboembolien (davon 5 Lungenembolien). Nach Hüft-Arthroplastik war das Verhältnis der Thromboembolien (jeweils Rivaroxaban vs. ASS) 5:4, nach Knie-OP 7:7. Größere Blutungen ereigneten sich in der Gesamtgruppe im Verhältnis 5:8, alle Blutungen zusammen im Verhältnis 17:22.

Nach Einschätzung der Autoren zeigen die Ergebnisse der EPCAT-II-Studie, dass nach einer fünftägigen postoperativen Thromboembolie-Prophylaxe mit Rivaroxaban die Fortsetzung dieser Prophylaxe mit ASS ähnlich wirksam ist wie die weitere Einnahme des teuren DOAK. Auch waren Blutungen nicht unterschiedlich häufig oder schwer. Die Autoren erwähnen, dass ein Teil der Patient(inn)en erst postoperativ um ihr Einverständnis für die Teilnahme an der Studie inklusive Randomisierung ab 5. postoperativem Tag gebeten wurden. Da sich die meisten der insgesamt wenigen Blutungen früh postoperativ im Wundgebiet ereigneten, ist es nicht sicher, dass sie der unterschiedlichen Medikation ab dem 6. postoperativem Tag zugerechnet werden können.

In einem Editorial zu dieser Veröffentlichung betont D. Garcia aus Seattle/Washington, USA, dass diese Studie die tägliche Praxis der postoperativen Thromboembolie-Prophylaxe erheblich beeinflussen bzw. ändern kann (4). Die Nebenwirkungen von ASS seien gut bekannt und die Fortsetzung der Prophylaxe mit ASS ab dem 6. postoperativen Tag sei kostengünstiger als die mit dem DOAK. Er empfiehlt, ASS nicht über 100 mg/d zu dosieren, was gegen die Fortsetzung einer bereits präoperativ bestehenden ASS-Einnahme zusätzlich zur Studienmedikation spricht. Wie generell bei der praktischen Umsetzung von Studienergebnissen sind die Ausschlusskriterien zu berücksichtigen. Bei dieser Studie waren es zuvor bekannte maligne Tumore oder Frakturen in den letzten 3 Monaten vor der OP.

Fazit: Eine Studie – durchgeführt in 15 kanadischen Kliniken ohne finanzielle Unterstützung durch pharmazeutische Unternehmer – ergab, dass nach Hüft- oder Kniegelenkersatz-Operationen eine Fortsetzung der Thromboembolie-Prophylaxe nach dem fünften postoperativen Tag (bis dahin 10 mg/d Rivaroxaban) mit ASS (81 mg/d) ebenso wirksam ist wie die weitere Behandlung mit Rivaroxaban. Die Prophylaxe wurde nach Knie-Operationen für insgesamt 14 Tage, nach Hüft-OP für insgesamt 35 Tage durchgeführt. Thromboembolien und Blutungen waren in beiden Studienarmen selten und nicht signifikant unterschiedlich.

Literatur

  1. Falck-Ytter, Y., et al.: Chest 2012, 141, e278S. Link zur Quelle
  2. The Pulmonary Embolism Prevention trial (PEP): Lancet 2000, 355, 1295. Link zur Quelle
  3. Anderson, D.R., et al. (EPCAT II = Extended venous thromboembolism Prophylaxis Comparing rivaroxaban to Aspirin following Total hip and knee arthroplasty): N. Engl. J. Med. 2018, 378, 699. Link zur Quelle
  4. Garcia, D.: N. Engl. J. Med. 2018, 378, 762. Link zur Quelle