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Edoxaban zur Behandlung venöser Thromboembolien bei Patienten mit malignen Erkrankungen

Akute Venenthrombosen und Lungenembolien (venöse Thromboembolie = VTE) gehören zu den häufigen Komplikationen bei Patienten mit malignen Erkrankungen (vgl. 1). Zur Behandlung einer VTE bei diesen Patienten wird in nationalen und internationalen Leitlinien für die initiale Therapie (5-10 Tage) und die Erhaltungstherapie (3-6 Monate) niedermolekulares Heparin (NMH) empfohlen. Im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten (VKA), der bisherigen Standardtherapie von VTE bei Patienten ohne maligne Erkrankung, vermindern NMH die Rate von VTE-Rezidiven bei gleicher Blutungsrate (2-5).

Eine verlängerte Erhaltungstherapie über mehr als 6 Monate wird bei Patienten mit malignen Erkrankungen empfohlen, wenn Risikofaktoren vorliegen, wie beispielsweise ein VTE-Rezidiv unter Behandlung oder eine weiter aktive maligne Erkrankung, und wenn keine Kontraindikationen bestehen (z.B. aktive Blutung, Thrombozytenzahl < 50.000/µl). Welches Antikoagulans in dieser Situation bevorzugt eingesetzt werden sollte, ist unklar, denn es fehlen vergleichende Studien über mehr als 6 Monate.

In den letzten Jahren haben direkt wirkende orale Antikoagulanzien (DOAK), darunter der Faktor-Xa-Antagonist Edoxaban (Lixiana®, vgl. 6, 7), eine Zulassung zur Behandlung von VTE erhalten. In den Zulassungsstudien der DOAK wurden Patienten mit malignen Erkrankungen meist ausgeschlossen; außerdem war die Vergleichstherapie ein VKA. Aktuell werden deshalb in mehreren Studien verschiedene DOAK bei Patienten mit malignen Erkrankungen gegen NMH geprüft.

Die Ergebnisse der „Hokusai VTE Cancer“-Studie wurden jetzt publiziert. In ihr wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Edoxaban verglichen mit dem NMH Dalteparin bei 1.046 Patienten mit einer malignen Erkrankung und einer gesicherten akuten VTE (8). Finanziert wurde die Studie vom Hersteller von Edoxaban (Daiichi Sankyo), der auch am Design sowie der Erhebung und Auswertung der Daten beteiligt war. Von den 19 Autoren gaben 14 an, Honorare oder ein Stipendium vom Hersteller erhalten zu haben; drei weitere waren Angestellte des Unternehmers.

Die Studie wurde multizentrisch (74/114 europäische Kliniken) und unverblindet durchgeführt; geprüft wurde auf Nicht-Unterlegenheit von Edoxaban. Die Patienten mit verschiedenen soliden Tumoren (ca. 90%) und hämatologischen Neoplasien (ca. 10%) wurden über mindestens 6 und bis zu 12 Monate nach Randomisierung behandelt, entweder mit NMH über mindestens 5 Tage, gefolgt von Edoxaban 60 mg 1x/d (Edoxaban-Gruppe) oder mit dem NMH Dalteparin in einer Dosierung von 200 IU/kg Körpergewicht (KG) 1x/d s.c. über einen Monat, gefolgt von Dalteparin 150 IU/kg KG 1x/d s.c. (Dalteparin-Gruppe). Patienten mit mäßiger Niereninsuffizienz (GFR 30-50 ml/min), einem Körpergewicht von < 60 kg oder Einnahme eines P-Glykoprotein-Hemmers erhielten aus Sicherheitsgründen nur 30 mg/d Edoxaban. Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz (GFR < 30 ml/min) wurden ausgeschlossen.

Der kombinierte primäre Endpunkt war zusammengesetzt aus einem VTE-Rezidiv oder einer schweren Blutung während der 12 Monate nach Randomisierung, unabhängig von der Behandlungsdauer. Als sekundäre Endpunkte wurden VTE-Rezidive und schwere Blutungen auch separat analysiert.

Die mediane Behandlungsdauer war in der Dalteparin-Gruppe kürzer als in der Edoxaban-Gruppe (211 vs. 184 Tage; p = 0,01). Der kombinierte primäre Endpunkt aus VTE-Rezidiv oder schwerer Blutung trat bei 67/522 (12,8%) der Patienten in der Edoxaban-Gruppe auf, verglichen mit 71/524 (13,5%) in der Dalteparin-Gruppe. Dieses Ergebnis zeigte statistisch die Nicht-Unterlegenheit von Edoxaban, aber keine Überlegenheit (Hazard Ratio = HR: 0,97; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,70-1,36; p = 0,006 für Nicht-Unterlegenheit; p = 0,87 für Überlegenheit). Ein VTE-Rezidiv trat numerisch seltener auf bei Patienten in der Edoxaban-Gruppe (41/522 = 7,9%) als in der Dalteparin-Gruppe (59/524 = 11,3%); dieses Ergebnis war statistisch nicht signifikant. Unter Edoxaban kam es signifikant häufiger (HR: 1,77; CI: 1,03-3,04; p = 0,04) zu schweren Blutungen (36/522 = 6,9%) als unter Dalteparin (21/524 = 4%), wobei vor allem Patienten mit gastrointestinalen Tumoren betroffen waren. Bei den Nebenwirkungen ergaben sich sonst keine Unterschiede zwischen Edoxaban und Dalteparin.

In einem Editorial wurde auf weitere randomisierte kontrollierte Studien hingewiesen zum Vergleich von DOAK mit NMH bei Patienten mit malignen Erkrankungen und VTE bzw. hohem Risiko für ein Rezidiv einer VTE (9). Die Ergebnisse dieser Studien liegen bisher nicht als Publikation vor und werden hoffentlich klinisch relevante Informationen ergeben zum therapeutischen Stellenwert von DOAK in der Behandlung von VTE bei Tumorpatienten.

Fazit: Zur Behandlung einer akuten venösen Thromboembolie bei Patienten mit einer malignen Erkrankung zeigte sich orales Edoxaban verglichen mit subkutanem Dalteparin als nicht unterlegen im kombinierten primären Endpunkt aus Thromboembolie-Rezidiv oder schwerer Blutung, war allerdings mit einer höheren Rate schwerer Blutungen assoziiert. Nach Aufklärung über das erhöhte Blutungsrisiko kann Edoxaban möglicherweise eine Therapieoption sein für wenige Patienten mit einer malignen Erkrankung und einem hohen Risiko für ein VTE-Rezidiv, für die die langfristige tägliche subkutane Injektion von niedermolekularem Heparin nicht in Frage kommt. Patienten mit malignen Erkrankungen und hohem Blutungsrisiko, vor allem mit gastrointestinalen Tumoren oder einer Kreatinin-Clearance < 30 ml/min, sollten Edoxaban nicht erhalten.

Literatur

  1. AMB 2016, 50, 89. Link zur Quelle
  2. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/065-002.html Link zur Quelle
  3. Lymann, G.H., et al.: J. Clin. Oncol. 2015, 33, 654. Link zur Quelle
  4. Kearon, C., et al.: Chest 2016, 149, 315. Link zur Quelle
  5. Akl, E.A., et al.: Cochrane Database Syst. Rev. 2014, 7, CD006650. Link zur Quelle
  6. AMB 2014, 48, 12. Link zur Quelle
  7. https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/… Link zur Quelle
  8. Raskob, G.E., et al.: N. Engl. J. Med. 2018, 378, 615. Link zur Quelle
  9. Hirsh, J., und Ginsberg, J.: N. Engl. J. Med. 2018, 378, 673. Link zur Quelle