Zusammenfassung: Patienten mit stabilem Vorhofflimmern haben unter adäquater Kontrolle der Herzfrequenz und unter effektiver Thromboembolie-Prophylaxe eine gute Prognose. Bei geringen Symptomen, vorausgegangenen Kardioversionsversuchen oder bei erheblichen kardialen Grundkrankheiten sollte in der Regel keine Kardioversion versucht werden, denn es ist bisher nicht bewiesen, daß durch diese Behandlung die Prognose verbessert wird. Nach Kardioversion ist meist eine Prophylaxe mit Antiarrhythmika erforderlich, um den wiederhergestellten Sinusrhythmus zu erhalten. Dabei ist allerdings das Risiko unerwünschter proarrhythmischer Effekte – besonders wenn eine kardiale Krankheit zu Grunde liegt – ein Problem. Auch wenn der wiederhergestellte Sinusrhythmus zunächst therapeutisch befriedigt, so sind Patienten nach Kardioversion doch gefährdet durch eventuelle unerwünschte Wirkungen der Antiarrhythmika und durch Rezidive des Vorhofflimmerns mit erneuten Beschwerden, mit erneuten Krankenhausaufenthalten und mit erhöhtem Risiko für einen Schlaganfall.
Vorhofflimmern ist eine sehr häufige Rhythmusstörung mit einer Prävalenz von = 5% bei Personen über 65 Jahren (20). Die Sterblichkeit bei Vorhofflimmern ist doppelt so hoch wie bei der „Normalbevölkerung“, wobei sich das höhere Risiko überwiegend auf die zugrundeliegenden kardiovaskulären Erkrankungen zurückführen läßt (14). Ob durch eine Kardioversion das Risiko für Thromboembolien vermindert oder sogar die allgemeine Sterblichkeit gesenkt werden kann, ist bisher nicht belegt und zumindest für den zweiten Punkt unwahrscheinlich. Durch eine dem Risiko angepaßte Embolieprophylaxe, in der Regel mit Phenprocoumon (Marcumar), kann die Häufigkeit zerebraler Ereignisse verringert werden (10). Durch Senken der Herzfrequenz mit Betarezeptoren-Blockern, Kalziumantagonisten und/oder Digitalis wird ein großer Teil der Patienten mit Vorhofflimmern symptomarm (24; s.a. Tab. 1).
Die Therapie mit antiarrhythmisch wirksamen Medikamenten ist problematisch. Bei Patienten mit Koronarer Herzkrankheit ist nach Gabe von Gruppe-I-Antiarrhythmika der Plötzliche Herztod häufiger, auch wenn die Extrasystolen im Langzeit-EKG abnehmen (6). In einer Metaanalyse zeigte sich, daß durch die Gabe von Chinidin bei Patienten mit Vorhofflimmern zwar häufiger ein Sinusrhythmus erhalten werden kann, die Sterblichkeit aber ansteigt (7). Daten der SPAF-Studie deuten auf eine erhöhte Sterblichkeit unter Gruppe-I-Antiarrhythmika bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern hin (9). Das Risiko proarrhythmischer Effekte ist allerdings bei Patienten ohne Herzinsuffizienz (d.h. mit guter linksventrikulärer Funktion) und ohne Koronare Herzkrankheit gering (9). Trotzdem finden sich in den meisten, oft kleinen Kardioversions-Studien auch bei Patienten ohne diese Risikofaktoren in 0,5-5% maligne proarrhythmische Effekte unter Antiarrhythmika (19, 20, 22). Wenn die Patienten nicht so gut wie in den meisten Studien überwacht sind, können darüber hinaus Elektrolytstörungen, Kumulation der Antiarrhythmika bei Niereninsuffizienz (z.B. Sotalol) oder zusätzlich verabreichte, QT-Zeit-verlängernde Medikamente (Antidepressiva, Antihistaminika, Prokinetika, Makrolid-Antibiotika u.a.) maligne Rhythmusstörungen induzieren.
Aufgrund der vorliegenden Daten sollten Antiarrhythmika bei Vorhofflimmern zurückhaltend und differenziert gegeben werden. Eine Indikation zur Kardioversions-Behandlung ergibt sich in erster Linie aus den Symptomen des Patienten, wenn sie trotz adäquater Senkung der Herzfrequenz weiterbestehen (s. Abb. 1). Ein Vorschlag zum Vorgehen bei Patienten mit anhaltendem Vorhofflimmern ist in Abb. 2 dargestellt. Die elektrische Kardioversion sollte bevorzugt werden, weil hierbei der Herzrhythmus mit Monitor kontrolliert wird und hohe Dosen von Antiarrhythmika, wie sie zur medikamentösen Kardioversion oft erforderlich sind, vermieden werden. Nach neueren Daten kann sowohl durch eine Vorbehandlung mit den Gruppe-III-Antiarrhythmika Ibutilid (17) oder Sotalol (Sotalex u.v.a.; 16) i.v. als auch durch orale Aufsättigung mit Amiodaron (Cordarex u.a.; 3) die Chance erhöht werden, durch elektrische Kardioversionsbehandlung einen Sinusrhythmus zu erreichen. Nach erfolgreicher Kardioversion muß über die Notwendigkeit einer antiarrhythmischen Rezidivprophylaxe individuell endschieden werden (s.a. Tab. 1). Bei reversiblen Ursachen (Hyperthyreose, postoperativ, Alkoholentzug oder akute Alkoholintoxikation, Elektrolytstörungen, Infekte u.a.) kann hierzu ein reiner Betarezeptoren-Blocker ausreichend sein. Die prophylaktische Wirkung der Beta-Blocker hinsichtlich des Auftretens von Vorhofflimmern ist jedoch bisher nur für die Situation nach Herzoperationen ausreichend belegt (2). Ohne eine antiarrhythmische Prophylaxe erleiden innerhalb des nächsten Jahres etwa 75% der Patienten ein Rezidiv (7). Ist also der Aufwand und der Versuch einer Kardioversion erfolgreich, muß in der Regel eine Rezidiv-Prophylaxe mit Antiarrhythmika zumindest über einen gewissen Zeitraum (bis zum Eintritt des Vorhof-Remodelings?) durchgeführt werden.
Patienten mit intermittierendem Vorhofflimmern sind gesondert zu betrachten, da meist nach einigen Stunden spontan wieder Sinusrhythmus auftritt. Viele dieser Patienten haben trotz frequenzsenkender Medikamente weiterhin Symptome, und mit Antiarrhythmika kann oft nur die Häufigkeit der Anfälle gesenkt werden (21). Bei einzelnen Patienten, bei denen die übliche Therapie versagt und die während der intermittierenden Anfälle schwer beeinträchtigt sind, können die Beschwerden durch Kombination von Schrittmacher-Implantation und AV-Knoten-Ablation erheblich gebessert werden (s. Abb. 3). Neuerdings gibt es auch Schrittmacher-Aggregate, die in besonders hartnäckigen Fällen zur Prophylaxe (und Therapie) des Vorhofflimmerns eingesetzt werden können. Sie stimulieren, z.B. nach einer supraventrikulären Extrasystole, die häufig dem Vorhofflimmern vorausgeht, mit übernormaler Frequenz den Vorhof und lassen so das Vorhofflimmern gar nicht erst entstehen. Sie können sogar durch komplexe Impulse trotzdem entstandenes Vorhofflimmern wieder unterbrechen. Leider gibt es aber noch keine größeren Erfahrungen mit dieser neuen Methode. Skepsis ist angezeigt.
Bei Herzgesunden (keine erkennbare Koronare Herzkrankheit, gute linksventrikuläre Funktion) kann man zur Rezidivprophylaxe von Vorhofflimmern zwischen verschiedenen Antiarrhythmika mit nahezu identischer Wirksamkeit (13, 19) auswählen. Gruppe-IA-Antiarrhythmika werden wegen extrakardialer Nebenwirkungen (Disopyramid = Rythmodul u.a., Chinidin = Chinidin-Duriles) und häufigerem Auftreten von Torsaden (Chinidin) nur noch selten verordnet. Je nach begleitenden Erkrankungen (z.B. Hypertonie, obstruktive Lungenerkrankung) werden heute in erster Linie Sotalol, Flecainid (Tambocor) oder Propafenon (Rytmonorm u.v.a.) zur Rezidivprophylaxe eingesetzt. Nach klinischen Kriterien und an Hand von Ruhe-EKG-Kontrollen kann bei etwa 50% der Patienten ein beständiger Sinusrhythmus über 6-12 Monate erreicht werden (7, 22). Wenn auch bei Patienten, die keine erkennbaren zusätzlichen Herzerkrankungen haben, proarrhythmische Effekte selten sind, so muß doch auf begleitende Elektrolytstörungen, auf QT-Zeit-Verlängerung im EKG und auf die Begleitmedikation (eventuell Einfluß auf die QT-Zeit) geachtet werden. Nach Beginn der antiarrhythmischen Therapie sollten in den ersten drei Tagen 12-Kanal-EKG-Registrierungen (Messen der QT-Zeit) sowie frühzeitig eine Langzeit-EKG-Kontrolle zum Ausschluß bzw. Nachweis proarrhythmischer Effekte durchgeführt werden.
Bei Patienten mit kardialer Grundkrankheit ist die Wahl des Antiarrhythmikums schwierig. Gruppe-IC-Antiarrhythmika (Flecainid und auch Propafenon) erhalten zwar häufiger den Sinusrhythmus (1, 19, 22), sollten aber wegen des statistisch häufigeren Plötzlichen Herztodes nicht mehr gegeben werden (6, 15). Auch unter D-Sotalol waren bei Patienten nach Myokardinfarkt die Todesfälle durch Herzrhythmusstörungen häufiger (23). Mit zusätzlicher Betablocker-Wirkung (Gabe von DL-Sotalol) wurden in einer alten Studie die proarrhythmischen Effekte von D-Sotalol zwar neutralisiert (11); allerdings waren auch die sonst üblichen positiven Effekte der Betablocker-Therapie nach Myokardinfarkt nicht mehr nachweisbar. Entschließt man sich bei dieser Patientengruppe zur Kardioversion mit anschließender Gabe von Antiarrhythmika, sollte die Initialphase mittels Monitor (Telemetrie) überwacht werden. Bei den meisten Patienten mit organischer Herzerkrankung oder bei Herzgesunden mit Rezidiv, bei denen ein erneuter Kardioversionsversuch unumgänglich erscheint, sollte Amiodaron als Antiarrhythmikum der ersten Wahl gelten. So konnte in der CTAF-Studie (20) unter Amiodaron bei 67% der Patienten über 1,5 Jahre ein Sinusrhythmus erhalten werden, während dies nur bei 27% unter Sotalol/Propafenon gelang. Bei langsamer oraler Aufsättigung ist die Therapie mit Amiodaron selbst unter ambulanten Bedingungen sicher (4, 12, 20). Jedoch wurden in alle Studien nur stabile Patienten eingeschlossen. Die Sicherheit dieser Therapie ist aber nicht bei allen Patientengruppen gegeben. So wurden im Verlauf der letzten beiden Jahre zwei Patienten mit Tachyarrhythmie-induzierter Kardiomyopathie gesehen, die unter oraler Aufsättigung mit Amiodaron wegen Kammerflimmerns reanimiert werden mußten (8). Bei beiden Patienten waren auch nach dem Absetzen des Medikaments noch tagelang ventrikuläre Torsaden zu beobachten. In den mehrere Jahre dauernden Studien wurde Amiodaron (Dosis = 200 mg/d) trotz häufiger, aber eher geringfügiger Nebenwirkungen (Photosensitivität, Sehstörungen und zentralnervöse Auffälligkeiten) meist recht gut toleriert. Schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen, wie Störungen der Schilddrüsenfunktion, Lungenfibrose und Polyneuropathie treten aber in einer Größenordnung von 2-3% pro Jahr auf (4, 5, 12, 18, 20). Insbesondere die durch Amiodaron induzierte Hyperthyreose und Lungenfibrose mit wahrscheinlich immunologischer Genese sind wegen der langen Halbwertszeit des Medikaments schwer zu therapieren.
Ob neuere Gruppe-III-Antiarrhythmika mit geringeren extrakardialen Nebenwirkungen insgesamt Vorteile haben, ist zur Zeit nicht klar. Erste Daten zu Dofetilid zeigen hohe Raten ventrikulärer Torsaden (21). Zusätzlich bestehen erhebliche Interaktionen mit anderen Medikamenten sowie eine Kumulation bei Niereninsuffizienz.
Literatur
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