Ein mechanischer Klappenersatz ist aufgrund der sehr guten Langzeit-Haltbarkeit der Prothese bei jüngeren Patienten (< 60 bis 65 Jahre) indiziert, erfordert aber nachfolgend eine „lebenslange“ orale Antikoagulation (OAK) mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA). Deren Risiken (Blutungsneigung, Teratogenität; Interaktionspotenzial mit Arznei- und Nahrungsmitteln) und Unannehmlichkeiten (regelmäßige INR-Kontrollen) müssen deshalb vor einer Operation – neben den spezifischen peri- und postoperativen Risiken – mit den Patienten besprochen werden. Nicht wenige lehnen alleine aus diesem Grund einen mechanischen Klappenersatz ab und nehmen die beträchtlichen Nachteile der beschränkten Haltbarkeit einer biologischen Klappenprothese in Kauf (inkl. Risiko einer oder mehrerer Re-Operationen). Die gültigen Leitlinien der großen europäischen und US-amerikanischen Fachgesellschaften [1], [2] unterstützen im Sinne einer Expertenmeinung (Empfehlungsgrad I, Evidenzgrad C) eine „gemeinsame Entscheidungsfindung“ („shared decision making“) unter Berücksichtigung der Präferenz der Patienten.
Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK; Faktor-Xa-Antagonisten: Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban; Thrombin-Antagonist: Dabigatran) sind in der Handhabung einfacher als VKA. Sie haben daher in nahezu allen Indikationen die VKA abgelöst. In den wenigen vorliegenden Studienergebnissen von Patienten mit Zustand nach mechanischem Klappenersatz haben sich DOAK gegenüber VKA jedoch als unterlegen erwiesen. Deshalb werden DOAK in dieser Situation in allen Leitlinien übereinstimmend als kontraindiziert bzw. als nicht indiziert beurteilt.
Dies hat sich nun erneut in der vor kurzem abgebrochenen PROACT-Xa-Studie bestätigt. Sponsor der Studie ist der Hersteller einer neuen Generation von mechanischen Klappenprothesen (Artivion; Klappenprothese: On-X® = Doppelflügelprothese mit Verbesserungen von Geometrie, Oberfläche und Material). In einem von drei Armen der vorangegangenen Vorläuferstudie PROACT wurde nachgewiesen, dass nach Aortenklappenersatz mit dieser Prothese eine OAK mit niedrigerem INR-Zielwert (1,5 bis 2,0 statt der als Standard empfohlenen 2,0 bis 3,0; optimierte INR-Selbstkontrollen) bei ausgewählten Patienten das Risiko für schwere Blutungsereignisse um relativ 55% reduziert und dennoch ausreichend antithrombotisch wirkt [3]. Aufgrund dieser Daten existieren – nicht unumstritten – für die On-X®-Klappe als einzige mechanische Klappenprothese entsprechende FDA- und EMA-Zulassungen sowie eine explizite Erwähnung (Empfehlungsgrad 2b, Evidenzgrad B) in den US-amerikanischen Leitlinien [2]. Die anderen beiden PROACT-Arme (duale Anti-Plättchen-Therapie vs. VKA nach Aortenklappenersatz bzw. VKA mit niedriger vs. Standard-INR nach Mitralklappenersatz) verliefen negativ und wurden nie abschließend publiziert.
In der seit April 2020 laufenden, kontrollierten, randomisierten PROACT-Xa-Studie aus der Duke University wurde nun untersucht, ob bei Zustand nach mechanischem Aortenklappenersatz mit der On-X®-Klappe eine Antikoagulation mit dem Faktor-Xa-Antagonist Apixaban in Standarddosis (zweimal 2,5 mg/d oder zweimal 5 mg/d in Abhängigkeit von Alter, Gewicht, Nierenfunktion) im Vergleich zu VKA (Warfarin) in Standarddosis (INR 2,0 bis 3,0) ausreichend ist [4]. Aufgrund vergleichsweise vermehrter Klappenthrombosen und Thromboembolien (= primärer kombinierter Endpunkt) wurde kürzlich vom unabhängigen „Data and Safety Monitoring Board“ der Studienabbruch empfohlen [5]. Die Patienten aus der Apixaban-Gruppe werden auf VKA umgestellt. Genaue Daten wurden bislang nicht kommuniziert, und es bleibt abzuwarten, ob die Studie überhaupt publiziert wird.
Nach der ebenfalls abgebrochenen RE-ALIGN-Studie ([6], vgl. [7]) ist Apixaban nun nach Dabigatran das zweite DOAK (und der erste Faktor-Xa-Antagonist) mit ungünstigen Studienergebnissen nach mechanischem Herzklappenersatz. Für Rivaroxaban und Edoxaban gibt es zwar keine Studien in dieser Indikation, ihr Einsatz gilt aber nach übereinstimmender Expertenmeinung ebenfalls als kontraindiziert – zumal eine Studie zu Rivaroxaban nach katheterinterventionellem (biologischem) Klappenersatz wegen ungünstiger Ergebnisse ebenfalls vorzeitig abgebrochen werden musste (vermehrt Thromboembolie- und Blutungsereignisse sowie höhere Gesamtsterblichkeit; [8], vgl. [9]). Wie bereits in den vergangenen Jahren schließen wir uns dieser Einschätzung an.
Eine befriedigende Lösung für die verhältnismäßig jungen und teils auch sehr jungen Patienten mit mechanischen Herzklappenprothesen, z.B. bei angeborenen Herzfehlern, ist weiterhin nicht in Sicht. Die Entscheidung, ob eine mechanische oder eine biologische Klappenprothese implantiert wird, ist nach ausführlicher Aufklärung und nach Abwägung aller oben erwähnten Risiken individuell zu treffen. Zu einer neuen medikamentösen Option könnten möglicherweise die Faktor-XI-Inhibitoren (Milvexian, Asundexian) werden, die derzeit in Phase-II/III-Studien untersucht werden.