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Dabigatran zur Antikoagulation bei mechanischen Herzklappen ungeeignet

Die RE-ALIGN-Studie, in der Dabigatran vs. Warfarin bei Patienten mit mechanischem Herzklappen-Ersatz untersucht worden war, wurde wegen häufigerer Schlaganfälle, Myokardinfarkten und Klappenthrombosen unter Dabigatran vorzeitig abgebrochen (1). Danach warnten die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA), Dabigatran nicht zur arteriellen Thromboembolieprophylaxe nach mechanischem Herzklappen-Ersatz anzuwenden, und die FDA verfügte eine entsprechend lautende Kontraindikation. Nun wurden die Ergebnisse dieser von Boehringer Ingelheim gesponserten Studie, die seinerzeit im Einzelnen noch nicht bekannt waren, publiziert (2).

In diese multizentrische Studie wurden zwei Patientengruppen eingeschlossen. Die Patienten der einen hatten in den vorausgegangenen sieben Tagen eine mechanische Aorten- oder Mitralklappe bekommen (Gruppe A), in der anderen Gruppe lag eine solche Klappenoperation bereits drei Monate oder länger zurück (Gruppe B). Die Patienten erhielten entweder Dabigatran oder Warfarin. Die Randomisierung erfolgte 2:1 (n = 168:n = 84). Die initiale Dabigatran-Dosis orientierte sich an der Nierenfunktion: 150, 220, oder 300 mg/d (vgl. 3). Die Dosierung wurde dann weiter gesteuert mit dem Ziel, eine Konzentration von mindestens 50 ng/ml im Blut zu erreichen. Warfarin wurde nach internationalen Richtlinien dosiert: Eine INR zwischen 2 und 3 wurde angestrebt, wenn kein zusätzliches thromboembolisches Risiko bestand und eine INR von 2,5-3,5, wenn ein zusätzliches thrombembolisches Risiko vorlag, z.B ein zusätzlicher Risikofaktor oder zwei mechanische Klappen. Der primäre Endpunkt – besser Steuerungspunkt – der Studie war der Talspiegel von Dabigatran zu verschiedenen Zeitpunkten, um die optimale Dosierung für die Patienten mit mechanischer Herzklappe zu finden. Weiterhin wurden in der Studie Blutungskomplikation und thromboembolische Ereignisse (standardisierte Echokardiogramm-Untersuchungen) ausgewertet. Bei einer Zwischenauswertung der Gruppe A und wenig später der Gruppe B musste die Studie wegen der zu hohen Zahl thromboembolischer Ereignisse unter Dabigatran abgebrochen werden.

Bis zum Abbruch waren 252 Patienten in die Studie eingeschlossen worden. In der Dabigatran-Gruppe war eine Anpassung der Dosis oder sogar ein Wechsel der Therapie bei 52 von 162 (32%) Patienten nötig. Bei 13 Patienten konnte trotz maximaler Dosierung (zweimal 300 mg/d) der angestrebte Talspiegel im Blut von mindestens 50 ng/ml nicht erreicht werden. Die Mehrzahl der Patienten war in Gruppe A und hatte einen Aortenklappenersatz. Berechnungen zum Zeitraum, in dem die Patienten im angestrebten Bereich des Dabigatran-Spiegels lagen, ergaben: 86% der Zeit bei Gruppe A und 96% der Zeit bei Gruppe B. Bei den Patienten in der Warfarin-Gruppe war die Zeit im therapeutischem INR-Bereich geringer (49% vs. 51% der Zeit). Eine Klappenthrombose ohne klinische Zeichen fand sich bei fünf Patienten (3%) in der Dabigatran- und bei keinem in der Warfarin-Gruppe. Klinische Zeichen einer Klappenthrombose traten in keiner Gruppe auf. Einen aus Schlaganfall, transienter ischämischer Attacke, systemischer Embolie, Myokardinfarkt oder Tod zusammengesetzten Endpunkt erreichten 15 Patienten (9%) in der Dabigatran und vier Patienten (5%) in der Warfarin-Gruppe (Hazard ratio: 1,94; 95%-Konfidenzintervall: 0,64-5,86; p = 0,24). Schlaganfälle erlitten neun Patienten (5%) in der Dabigatran- und keiner in der Warfarin-Gruppe. Herzinfarkte traten bei drei Patienten (2%) in der Dabigatran- und bei keinem in der Warfarin-Gruppe auf. Zu größeren Blutungen kam es bei sieben Patienten (4%) in der Dabigatran- und bei zwei Patienten (2%) in der Warfarin-Gruppe. Alle Patienten mit größeren Blutungen hatten eine Perikardblutung.

Fazit: Dabigatran ist zur Prophylaxe arterieller Thromboembolien oder Klappenthrombosen bei Patienten mit mechanischen Herzklappen nicht geeignet. Die Studie zeigt daneben, wie schwierig es ist, selbst bei Messung der Dabigatran-Talspiegel, eine optimale antikoagulatorische Dosierung zu finden. Der angebliche Vorteil gegenüber Vitamin-K-Antagonisten, dass nämlich das Ausmaß der Gerinnungshemmung unter Behandlung mit Dabigatran nicht gemessen werden muss, wird durch diese Studie nicht gestützt. Möglicherweise besteht dieser Nachteil auch bei anderen Indikationen zur Verhinderung von Thromboembolien.

Literatur

  1. Van deWerf, F., et al. (RE-ALIGN= Randomized, phase II study to Evaluatethe sAfety and pharmacokinetics of oraL dabIGatranetexilate in patients after heart valve replacemeNt): Am. Heart J. 2012, 163,931. AMB 2013, 47,13a. Link zur Quelle
  2. Eikelboom,J.W., et al. (RE-ALIGN= Randomized, phase II study to Evaluatethe sAfety and pharmacokinetics of oraL dabIGatranetexilate in patients after heart valve replacemeNt): N. Engl. J. Med. 2013, 369, 1206. Link zur Quelle
  3. AMB 2011, 45,88. Link zur Quelle