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Adhärenz zu den neuen Antikoagulanzien (NOAK) am Beispiel Dabigatran

Nach einer aktuellen retrospektiven Beobachtungsstudie aus dem Veterans Affairs Health (VAH)-System der USA beträgt die Adhärenz zu dem neuen Antikoagulans Dabigatran nur 72,2% mit erheblichen Schwankungen (42-93%) zwischen den betreuenden Zentren (1). Das bedeutet, dass mehr als ein Viertel der wegen Vorhofflimmern oral mit Dabigatran antikoagulierten US-Veteranen das Arzneimittel nur unzuverlässig einnehmen und dass die Art und Weise der medizinischen Betreuung wahrscheinlich einen beträchtlichen Einfluss auf die Dabigatran-Adhärenz hat. Eine schlechte Adhärenz bei Gerinnungshemmern birgt ein erhebliches Sicherheitsrisiko. In einer früheren Publikation aus dem Jahre 2014 hat die gleiche Arbeitsgruppe gefunden, dass sich das Risiko für die Letalität aus allen Ursachen und das Eintreten eines Schlaganfalls um 13% pro 10% Minderung der Dabigatran-Adhärenz erhöht (HR: 1,13; 95%-Konfidenzintervall: 1,07-1,19; 2). Es ist also problematisch, bzw. fahrlässig, die NOAK ohne Kontrolle der regelmäßigen Einnahme zu verordnen.

In der aktuellen Studie (2) wurde die Dabigatran-Adhärenz bei > 4.800 Patienten mit Vorhofflimmern untersucht. Sie waren an 67 verschiedenen VAH-Einrichtungen zwischen 2010 bis 2012 erstmals mit Dabigatran antikoaguliert worden. Das mittlere Alter der Veteranen betrug 71 Jahre, 98% waren Männer und der mediane CHA2DS2VASc-Score betrug 3. Die Adhärenz wurde an Hand eines Abgleichs von verordneten und tatsächlich eingelösten Dabigatran-Rezepten überprüft. Hieraus ergibt sich ein Wert der als „proportion of days covered“ (PDC) bezeichnet wird. PDC ist der Quotient aus verordneter Menge Dabigatran pro Zeiteinheit und tatsächlich eingelöster Menge der Rezepte. Da innerhalb des VAH-Systems alle Versicherten eine elektronische Patientenakte haben, die von allen berechtigten Ärzten und Apothekern gespeist wird, kann die Erhebung der Daten als nahezu vollständig angesehen werden. Als adhärent gilt ein Patient, wenn er ≥ 80% der ausgestellten Dabigatran-Rezepte zeitgerecht einlöst. Regelmäßige oder punktuelle Laborkontrollen, z.B. Thrombinzeiten oder Dabigatran-Spiegel erfolgten nicht. Die Einlösung eines Rezepts bedeutet ja nicht, dass das Arzneimittel auch tatsächlich eingenommen wird. Auch die Gründe für die Non-Adhärenz wurden nicht recherchiert.

Die Autoren beschäftigten sich vor allem mit der Frage, warum es solche Unterschiede bei der Adhärenz zwischen den verschiedenen betreuenden Zentren gibt. Hierzu wurden die Verordnungs- und Nachsorgemodalitäten an 41 VAH-Einrichtungen untersucht. Die jeweiligen Standards für die Verordnung, Schulung und für die Nachsorge bei neuen NOAK-Patienten wurden mit Hilfe von Telefoninterviews mit den lokalen klinischen Pharmazeuten ermittelt. Die Zentren wurden dann in „good performers“ (medianer Adhärenzwert ≥ 74%) und „low performers“ (Adhärenzwert < 74%) eingeteilt und ihre Verfahrensstandards verglichen.

Ergebnisse: Einrichtungen, in denen routinemäßig die Indikation und Adhärenz durch einen klinischen Pharmazeuten überprüft wurde, in denen Schulungen über den Umgang mit oralen Antikoagulanzien durchgeführt wurden und in denen eine regelmäßige Nachsorge angeboten wird, schnitten hinsichtlich der Dabigatran-Adhärenz signifikant besser ab. Nach einem risikoadjustierten Rechenmodell mit 21 Confounders waren u.a. folgende Angebote bzw. Standards mit einer guten Adhärenz assoziiert: regelmässige persönliche Einbestellungen und Besprechungen von Sinn und Verträglichkeit der OAK (RR 1,47), Nachsorgedauer >12 Monate (RR 1,41), spezielle Bemühungen um non-adhärente Patienten (RR 1,31), Anbindung an eine Gerinnungsambulanz (RR 1,26) sowie telefonische Nachsorge (RR 1,24).

Ob diese Erkenntnisse auch auf Patienten außerhalb des VAH-Systems übertragen werden können, ist fraglich, vielleicht jedoch gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger ist die Erkenntnis, dass die begleitenden Verfahren (Schulungen, Kontrollvisiten) einen wesentlichen Einfluss auf die Adhärenz zu NOAK und damit deren Behandlungserfolg haben. Die Idee, dass NOAK keiner regelmäßigen Kontrolle bedürfen, ist abwegig und sogar fahrlässig. Die Patienten sollten nach unserer Einschätzung mindestens einmal im Quartal einbestellt werden und nach UAW und Einnahmeproblemen gefragt werden. Außerdem sollten aus Sicherheitsgründen Nierenwerte, Hämoglobin und Gerinnungsparameter bestimmt werden, und zukünftig wohl auch Spitzenspiegel im Blut.

Fazit: Bei US-Veteranen mit Vorhofflimmern beträgt die Therapietreue (Adhärenz) zu dem NOAK Dabigatran nur 72,2%. Dieser Wert ist zwischen den untersuchten medizinischen Einrichtungen sehr unterschiedlich. Eine gute Auswahl der Patienten, ein Angebot zur Schulung und vor allem eine strukturierte Nachsorge verbessern die Adhärenz. In Einrichtungen ohne solche Angebote liegt die Adhärenz teilweise < 50%, ein inakzeptables Sicherheitsrisiko. Die Verordnung der NOAK bedarf einer strukturierten Nachsorge, ähnlich wie bei Vitamin-K-Antagonisten.

Literatur

  1. Shore,S., et al.: JAMA 2015, 313, 1443. Link zur Quelle
  2. Shore,S., et al.: Am. Heart J. 2014, 167, 810. Link zur Quelle