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Interessenkonflikte von Leitlinien-Autoren: die Assoziation mit positiven Empfehlungen

An der Erstellung klinischer Leitlinien sind häufig Autoren mit Interessenkonflikten durch finanzielle Beziehungen zu pharmazeutischen Unternehmern (pU) und Herstellern von Medizinprodukten (HvM) beteiligt (1, vgl. 2). Auch Verfasser von narrativen Übersichtsarbeiten und Meinungsbeiträgen, wie Editorials, haben oft finanzielle Interessenkonflikte, ebenso wie Mitglieder von Ausschüssen, die beispielsweise regulatorische Arzneimittelbehörden beraten. Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass in klinischen Studien und systematischen Übersichtsarbeiten finanzielle Interessenkonflikte mit positiven Schlussfolgerungen für pU und HvM verbunden sind (3, vgl. 4). Nun wurde erstmals in einer systematischen Übersichtsarbeit untersucht, ob Interessenkonflikte sich auf die Empfehlungen in klinischen Leitlinien, Berichten von Beratungsausschüssen, Meinungsbeiträgen und narrativen Übersichtsarbeiten auswirken (5).

Die Übersichtsarbeit wurde vom Zentrum für Evidenz-basierte Medizin in Odense unter Beteiligung des Nordic Cochrane Center in Dänemark nach Cochrane-Methoden durchgeführt. Eingeschlossen wurden 21 Studien, die den Zusammenhang analysiert hatten zwischen Interessenkonflikten und positiven Empfehlungen für Arzneimittel und Medizinprodukte in 106 klinischen Leitlinien, 1.809 Berichten von Beratungsausschüssen, 340 Meinungsbeiträgen und 497 narrativen Übersichtsarbeiten. Primärer Endpunkt der Übersichtsarbeit war eine positive Empfehlung je nach Definition der Autoren der eingeschlossenen Studien. Bei 15 Studien bestand ein Risiko für verfälschte Ergebnisse durch „confounding“, da sich die verglichenen Publikationen möglicherweise in anderen Faktoren als den Interessenkonflikten unterschieden. Analog zur „Number Needed to Treat“ berechneten die Autoren auch eine „Number Needed to Read“ (NNR). Sie war (etwas kompliziert) definiert als die erwartete Zahl von Publikationen mit Interessenkonflikten, die man lesen muss – verglichen mit Publikationen ohne Interessenkonflikte – um auf eine zusätzliche Publikation mit einer positiven Empfehlung zu stoßen.

Das Relative Risiko (RR) für eine Assoziation zwischen Interessenkonflikten und positiven Empfehlungen bei Leitlinien betrug 1,26 (Konfidenzintervall = CI: 0,93-1,69; NNR: 9,1). Auch bei Meinungsbeiträgen, narrativen Übersichtsarbeiten und Berichten von Beratungsausschüssen zeigte sich eine positive Korrelation, die jedoch ebenfalls keine statistische Signifikanz erreichte. Die Ergebnisse wurden untermauert durch eine Analyse aller vier Arten von Publikationen zusammen, die ein ähnliches Resultat ergab. In einer Studie wurde der Einfluss der Zugehörigkeit zu einer medizinischen Fachrichtung auf Empfehlungen untersucht. Eingeschlossen wurden 12 klinische Leitlinien zum Mammographie-Screening. Die Beteiligung eines Radiologen an der Erstellung einer Leitlinie war assoziiert mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, regelmäßiges Screening zur Früherkennung von Brustkrebs zu empfehlen (RR: 2,1; CI: 0,92-4,77; NNR: 2,1).

Fazit: Aus einer systematischen Übersichtsarbeit ergeben sich Hinweise, dass in klinischen Leitlinien finanzielle Interessenkonflikte der Autoren zu positiven Empfehlungen für Arzneimittel und Medizinprodukte führen, ebenso wie in Berichten von Beratungsausschüssen, Meinungsbeiträgen und narrativen Übersichtsarbeiten. Regeln, welche die Zahl und den Einfluss von Autoren mit Interessenkonflikten vermindern wollen, müssen streng beachtet werden, wie beispielsweise von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. oder der Europäischen Arzneimittel-Agentur (6, 7). Perspektivisch sollten Leitlinien ausschließlich durch Institutionen und Autoren erstellt werden, die frei sind von Interessenkonflikten durch finanzielle Verbindungen mit der Industrie. Dies wird beispielsweise aktuell auch in Großbritannien für die Experten angemahnt, die die Regierung zur SARS-CoV-2-Pandemie beraten (8).

Literatur

  1. Napierala, H., et al.: BMC Med. Ethics 2018, 19, 65. Link zur Quelle
  2. AMB 2019, 53, 32 Link zur Quelle . AMB 2019, 53, 08DB01 Link zur Quelle . AMB 2018, 52, 72DB01 Link zur Quelle . AMB 2017, 51, 07b Link zur Quelle . AMB 2016, 50, 88DB01 Link zur Quelle . AMB 2013, 47, 96DB01 Link zur Quelle . AMB 2013, 47, 24DB01 Link zur Quelle . AMB 2011, 45, 34. Link zur Quelle
  3. Lundh, A., et al.: Cochrane Database Syst. Rev. 2017, 2. Link zur Quelle
  4. AMB 2017, 51, 32DB01 Link zur Quelle. AMB 2010, 44, 39a. Link zur Quelle
  5. Nejstgaard, C., et al.: BMJ 2020, 371, m4234. Link zur Quelle
  6. https://www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk/ll-entwicklung/awmf-regelwerk -01-planung-und-organisation/po-interessenkonflikte.html Link zur Quelle
  7. https://www.ema.europa.eu/en/news/conflicts-interests- revised-ema-policy-reflects-more-balanced-approach Link zur Quelle
  8. Thacker, P.D.: BMJ 2020, 371, m4716. Link zur Quelle