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Bei Patienten mit Vorhofflimmern und stabiler Koronarer Herzkrankheit ist eine antithrombotische Mehrfachtherapie nur im Ausnahmefall gerechtfertigt

Patienten mit indizierter dauerhafter oraler Antikoagulation (OAK) und Koronarer Herzkrankheit (KHK) haben manchmal vorübergehend auch eine Indikation für eine einfache oder doppelte Hemmung der Thrombozytenaggregation (TAH), beispielsweise nach perkutaner Koronarintervention (PCI) oder akutem Koronarsyndrom (ACS). Über die vielen Varianten und das Hin und Her der Empfehlungen zur antithrombotischen Mehrfachtherapie sowie die damit verbundene Blutungsgefahr haben wir häufiger berichtet (1).

Wenn Patienten mit OAK, die außerdem eine KHK haben, sich seitens dieser Erkrankung in einer stabilen Phase befinden – beispielsweise 1 Jahr nach ACS oder nach koronarem Stent ohne erneutes klinisches Ereignis – dann stellt sich die Frage, ob sie einen Nutzen von einer weiteren TAH haben oder ob eine Weiterbehandlung mit OAK allein ausreichend ist. Im N. Engl. J. Med. wurde nun eine Studie mit dem Akronym AFIRE publiziert, die Klarheit bringt, zumindest für das direkte OAK (DOAK) Rivaroxaban (2). In dieser multizentrischen, offenen, randomisierten kontrollierten Studie wurden zwei Therapiestrategien bei Patienten mit Vorhofflimmern (Vofli) und stabiler KHK verglichen. Die Studie wurde in Japan durchgeführt und die Finanzierung erfolgte durch die Japan Cardiovascular Research Foundation in Kooperation mit der Firma Bayer Yakuhin.

Methodik: Eingeschlossen wurden Patienten, die wegen Vofli antikoaguliert waren und die außerdem eine Vorgeschichte hatten mit PCI oder aortokoronarer Bypass-OP, die > 12 Monate zurücklagen, oder einer angiographisch dokumentierten Koronarstenose ≥ 50% ohne PCI. Die Patienten erhielten 1:1 eine Monotherapie mit Rivaroxaban (einmal 15 mg/d bei Kreatinin-Clearance ≥ 50 ml/min oder einmal 10 mg/ bei Kreatinin-Clearance 15-49 ml/min, entsprechend den in Japan zugelassenen niedrigeren Dosierungen) oder eine Kombination von Rivaroxaban in den gleichen Dosierungen plus eine TAH (entweder ASS oder ein P2Y12-Hemmer, je nach Ermessen der behandelnden Ärzte). Nachuntersuchungen fanden nach 6 Monaten und am Studienende, nach mindestens 24 und höchstens 45 Monaten statt. Der primäre kombinierte Endpunkt setzte sich zusammen aus: Schlaganfall, systemischer Embolie, Myokardinfarkt, instabiler Angina pectoris mit Revaskularisierung oder Tod. Der primäre Sicherheitsendpunkt war eine schwere Blutung, gemäß den Kriterien der Internationalen Gesellschaft für Thrombose und Hämostase.

Ergebnisse: Zwischen Februar 2015 und September 2017 wurden 2.236 Patienten an 294 japanischen Zentren eingeschlossen. In der Monotherapie-Gruppe wurden später 11 Patienten und in der Kombinationsgruppe 10 Patienten – u.a. wegen Protokollverletzungen – ausgeschlossen, sodass in die sog. modifizierte Intention-to-treat-Analyse 1.107 (Rivaroxaban plus TAH) bzw. 1.108 Patienten (Rivaroxaban-Monotherapie) eingingen. Die Merkmale der Patienten waren in den beiden Behandlungsarmen gleich: Das Durchschnittsalter betrug 74 Jahre, 52% waren ≥ 75 Jahre alt, 79% waren Männer. Es hatten zuvor 70,6% eine PCI erhalten und 11,4% eine koronare Bypass-OP. Der mediane CHA2DS2-VASc-Score betrug 4 und der mediane Blutungs-Score 2 (HAS-BLED-Skala von 0-9, wobei ein hoher Score ein hohes Blutungsrisiko bedeutet; vgl. 3). Der in der Kombinationsgruppe verwendete TAH war überwiegend ASS, 25% erhielten Clopidogrel. In der Monotherapiegruppe erhielten 54,1% und in der Kombinationsgruppe 52,8% 15 mg/d Rivaroxaban und 44,9% bzw. 46,3% nur 10 mg/d. Die Studie wurde wegen einer erhöhten Gesamtsterblichkeit in der Gruppe mit der Kombinationstherapie vorzeitig beendet.

Der primäre kombinierte Endpunkt trat bei 89 Patienten unter Rivaroxaban-Monotherapie und bei 121 Patienten unter der Kombinationsbehandlung auf, d.h. 4,14% vs. 5,75% pro Patientenjahr; Hazard Ratio = HR: 0,72; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,55-0,95; p < 0,001 für Nichtunterlegenheit. Bei den Einzelkomponenten des kombinierten Endpunkts war als bedeutsamster Unterschied eine signifikant geringere Gesamtletalität unter der Monotherapie festzustellen (1,85% vs. 3,27%; HR: 0,55; CI: 0,38-0,81). Bei keinem der thromboembolischen klinischen Endpunkte (ACS, ischämischer Schlaganfall, systemische Embolie) ergab sich ein Vorteil durch die Kombinationsbehandlung.

Die Häufigkeit des primären Sicherheitsendpunkts „Major-Blutung“ war in der Monotherapiegruppe signifikant geringer als in der Kombinationsgruppe (1,62% vs. 2,76% pro Patientenjahr; HR: 0,59; CI: 0,39-0,89; p = 0,01), und Minor-Blutungen waren doppelt so häufig in der Kombinationsgruppe (10,31% vs. 5,89%; HR: 0,58).

Fazit: Die AFIRE-Studie zeigt, dass Patienten in Japan mit stabiler Koronarer Herzkrankheit und indizierter oraler Antikoagulation in der Langzeittherapie keinen Nutzen von Rivaroxaban und einer zusätzlichen Einnahme eines Thrombozytenaggregationshemmers haben. Im Gegenteil, Blutungen sind häufiger, und die Gesamtletalität ist höher. Eine antithrombotische Behandlung mit mehreren Antikoagulanzien ist nur im Einzelfall gerechtfertigt. Bei den meisten Patienten ist die alleinige orale Antikoagulation sicherer und effektiver.

Literatur

  1. AMB 2012, 46, 17 Link zur Quelle . AMB 2013, 47, 60 Link zur Quelle . AMB 2013, 47, 36 Link zur Quelle . AMB 2017, 51, 17 Link zur Quelle . AMB 2017, 51, 94 Link zur Quelle . AMB 2018, 52, 72. Link zur Quelle
  2. Yasuda, S., et al. (AFIRE = Atrial Fibrillation and Ischemic events with Rivaroxaban in patients with stable coronary artery disEase): N. Engl. J. Med. 2019, 381, 1103. Link zur Quelle
  3. AMB 2012, 46, 17. Link zur Quelle